Ende November 2018  haben sich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und über 3.000 Unternehmen, Verwaltungen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit der Frage beschäftigt, zu welchen Auswirkungen es kommt, wenn z.B. wegen eines langen kalten Winters für eine gewisse Zeit die verlässliche Versorgung mit Gas in Deutschland ausfällt.

Vor einiger Zeit hat ein vergleichbares Szenario unter der Annahme eines längerfristigen Stromausfalls stattgefunden.

Sind das theoretische Annahmen? Ich meine, nein. Realitäten aus den letzten Jahren:

Das Münsterländer Schneechaos am 1. Adventswochenende 2005 war ein Wetterereignis, welches das Münsterland, Tecklenburger Land, Ruhrgebiet, Osnabrücker Land, das Bergische Land und das südliche Emsland ab dem 25. November 2005 traf und mehrere Tage andauerte.

Einige Strommasten konnten das Gewicht des schweren Schnees auf den Leitungen nicht mehr tragen und knickten um. Abgefallene Äste führten zu Leitungsbrüchen und Kurzschlüssen. Betroffen von dem Stromausfall waren laut RWE rund 250.000 Menschen in 25 Gemeinden. Für die Kreise Steinfurt und Borken wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Selbst vier Tage nach Ende des Schneefalls waren noch nicht alle Orte wieder an das Stromnetz angeschlossen

Die extreme Schneehöhe führte auch zu starken Behinderungen im Straßenverkehr. Außerdem brach der Öffentliche Nahverkehr zusammen. Die Züge und Busse fuhren aufgrund der Schneehöhe mit großer Verspätung oder gar nicht mehr. Auf der A 1 staute sich der Verkehr in beiden Richtungen. Auch auf den Autobahnen A 3, A 4, A 5, A 30, A 31, A 33 und A 45 war ein Vorwärtskommen nicht möglich. Die eingeschlossenen Autofahrer mussten teilweise mehrere Stunden auf Befreiung aus ihrer Lage warten und wurden vom Roten Kreuz mit Decken und heißen Getränken versorgt. Zahlreiche Pendler verbrachten die Nacht in Notunterkünften, weil ihr Heimatort nicht mit dem Auto oder Zug zu erreichen war. So wurde beispielsweise in Münster der Luftschutzbunker unter dem Hauptbahnhof als Notunterkunft geöffnet. Schon bis Freitagabend ereigneten sich 1.200 Unfälle. Der Sachschaden wurde auf ca. 3,16 Millionen Euro errechnet.  (nach Wikipedia)

Oder wer erinnert sich noch an den Orkan Kyrill, der am 18./19. Januar 2007 das öffentliche Leben in weiten Teilen Europas beeinträchtigte und in Böen Windgeschwindigkeiten bis zu 225 km/h erreichte. Er forderte 47 Todesopfer und führte zu erheblichen Sachschäden, zur vorzeitigen Schließung von Kindergärten, Schulen, Universitäten, Behörden und Betrieben sowie zu erheblichen Beeinträchtigungen im Energie- und Verkehrssektor. Über eine Million Menschen waren zeitweilig ohne Strom.

Oder an den Eisregen in Lippe im Jahr 1988 mit zentimeterdicken Eispanzern auf Ästen, Straßen und Autos. Die schweren Schäden lösten in Lippe und ganz Ostwestfalen Katastrophenalarm aus. Schon am Abend vorher hatten Feuerwehren und Katastrophenhelfer versucht, die Straßen von umgestürzten Bäumen freizuräumen. Diese Versuche mussten am Morgen wegen Lebensgefahr für die Helfer durch ständig niederstürzende Bäume eingestellt werden.

Und an Überflutungen sind wir ja regional fast schon gewohnt …

„Aber es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines einer Notfallsituation praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass es in einer Region jahrzehntelang nicht stattgefunden hat, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss“, wie sinngemäß das Oberverwaltungsgericht Münster schon 1987 formuliert hat.

Was bedeutet das für die ambulanten Pflegedienste, Tagespflegen und stationäre Einrichtungen?

Wie würden Sie denn Ihre ambulanten Patienten versorgen, wenn die Wege aufgrund der Sturmschäden gesperrt sind und Sie nicht von der Polizei oder Feuerwehr „durchgelassen“ werden? Und wer muss versorgt werden, wer nicht zwingend?

Oder wie und welche Patienten versorgen Sie noch, wenn die Tankstellen geschlossen werden, weil kein Strom die Benzinpumpen antreibt?

Was haben Sie für einen Versorgungsplan für Ihre Tagespflegegäste, wenn Sie aufgrund eines Blitzeises die Gäste nicht mehr nach Hause bringen können?

Wie würden Sie Ihre stationären Patienten wärmen, wenn im Winter mehrere Tage der Strom ausgefallen ist (und natürlich auch die Gasheizung nicht funktioniert)?

Und wer handelt, wer traut sich, Entscheidungen zu treffen, wenn die Pflegedienstleitung oder Geschäftsführung nicht erreichbar ist?

Sinnvoll ist die gemeinsame Erarbeitung von Notfallplänen in einem Arbeitskreis von Einrichtungsleitungen, interessierten Mitarbeitern, QM Beauftragte und der Geschäftsführung. Dabei können veröffentlichte Ablaufpläne als Muster genutzt werden, die jedoch auf den einzelnen Träger individualisiert und auch mit den Verantwortlichen für Katastrophenschutz in dem jeweiligen Landkreis oder der Stadt abgestimmt sein sollten.

Neben Notfallpläne beim Ausfall von Gas/ Energie sollten auch Notfallpläne beim Ausfall von Strom und bei Naturkatastrophen erstellt werden.

Sinnvoll sind Ablaufszenarien und Checklisten, die im entsprechenden Notfall „gezogen“ werden können und die den Mitarbeiter/innen Verfahrenshilfen geben. Und: kurz und knapp geht vor ausführlich und seitenlang.

Notfallpläne haben keinen Wert, wenn diese einmal erstellt wurden und dann jahrelang in einer Schublade verschwunden sind. Zur jährlichen Fortbildungsplanung einer Pflegeeinrichtung sollten die Notfallpläne im Rahmen einer Kurzschulung gehören und z.B. nach einer Dienstbesprechung vorgestellt bzw. wiederholt werden.

Die Pläne sollten für alle Mitarbeiter gut sichtbar an einer zentralen Stelle stehen, damit im Katastrophenfall nicht erst überlegt werden muss, in welchem (verschlossenen) Schrank oder in welcher Schublade denn die Unterlagen zu suchen sind.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass jederzeit Vorgesetze anwesend oder erreichbar sind. Entscheidungen müssen aber getroffen werden. Daher ist auch zu klären, wer (auch bei Verhinderung) die Leitung/ Koordination übernimmt. Fehler sind in einer Krisensituation i.d.R. unvermeidbar. Nur: keine Entscheidungen treffen, ist noch schlechter.

Anweisungen der Ordnungsbehörden sind unbedingt Folge zu leisten. Es muss z.B. im ambulanten Bereich z.B. geklärt sein, dass es keine Missachtung der Straßensperrung der Feuerwehr oder Polizei durch den ambulanten Dienst geben darf, weil eine Schwester meint, unbedingt noch zum Patienten fahren zu müssen. Aber welche Patienten noch zwingend versorgt werden müssen, weil ansonsten Lebensgefahr bestehen kann (und welche nicht) und wer wie darüber informiert wird, dass sollte geklärt sein.

Wichtige Grundsätze im Katastrophenfall sind z.B.:

  • Keine Eigengefährdung von Leib und Leben.
  • Behördliche Anweisungen haben Priorität und sind zu beachten.
  • Die zuständige Leitung, im Vertretungsfall die stellvertretende Leitung, im Vertretungsfall die dienstälteste Mitarbeiter/in ist automatisch Koordinator in der Notlage; die Aufgabe ist nicht delegierbar.
  • Keine Angst vor (falschen) Entscheidungen.
  • Bei Trägern mit mehreren Diensten: Mitarbeiter melden sich unabhängig von ihrem Dienstort bei der nächstgelegenen Einrichtung des Trägers zur Mithilfe.

Entwürfe von Notfallplänen für die ambulante Pflege, Tagespflegen und die stationäre Pflege sind auf Nachfrage zu erhalten unter info@wawrik-pflege-consulting.de

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