Alle zwei Jahre werden mit Stichtag 15. Dezember in Deutschland eine Reihe von Informationen und Daten von den Pflegediensten und -einrichtungen vom Statistikamt des Bundes erhoben. Für Pflegedienste bedeutet dies, in der Software oder in Unterlagen nachzusehen und Daten zusammenzutragen. Ärgert es Sie auch immer wieder, wenn Sie dazu aufgefordert werden, Fragebögen mit Statistikdaten ausfüllen zu müssen? 
„Was habe ich als Pflegedienstleitung oder Inhaber oder Geschäftsführer davon?“, fragen sich vermutlich eine Reihe von Ihnen beim Ausfüllen. 
Vielleicht erhalten Sie mit diesem Text einige interessante und hilfreiche Antworten.

Seit Dezember 1999 wird die Pflegestatistik von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder alle zwei Jahre durchgeführt. „Ziel der Statistik ist es, Daten zum Angebot von und der Nachfrage nach pflegerischer Versorgung zu gewinnen.“ (Pflegestatistik 2019, Vorbemerkung)

Drei Bereiche werden erfasst: Informationen und Daten über (anerkannt) Pflegebedürftige, über ambulante Pflegedienste und teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen und über die Mitarbeiterschaft in der Pflege. 

Die Pflegestatistik ist das Ergebnis aus zwei Erhebungen: Die Befragung bei den Pflegediensten und -einrichtungen und die Befragung bei den Spitzenverbänden der Pflegekassen und des Verbandes der privaten Krankenversicherung. Die zweite Erhebung liefert insbesondere Informationen über die Empfänger von Pflegegeldleistungen.

Alle Daten aus den Pflegeeinrichtungen laufen beim Statistischen Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden zusammen und werden dort ausgewertet. Dies dauert in der Regel gut 12 – 15 Monate, so dass die Ergebnisse häufig im Dezember des Folgejahres bzw. Frühjahr des übernächsten Jahres veröffentlicht werden.

In der Pflegestatistik 2019 wurden neu die reinen ambulanten Betreuungsdienste nach § 71 Abs. 1a SGB XI) mit aufgenommen. Diese spielen mit 24 Diensten in Deutschland aber keine wesentliche Rolle und verändern auch die Entwicklung der zugelassenen und ausgewerteten Pflege- und Betreuungsdienste nicht wesentlich.

Einige Grunddaten für den ambulanten Bereich vorab: 

Im Dezember 2019 waren 4,1 Millionen Menschen in Deutschland anerkannt pflegebedürftig, das sind 20,9 % bzw. 713.000 Menschen mehr als 2017. 80 % der Pflegebedürftigen sind 65 Jahre und älter. 62 % der Pflegebedürftigen sind weiblich.

2,12 Millionen Pflegebedürftige haben Pflegegeld erhalten und sind somit i.d.R. durch Angehörige unterstützt worden. 980.000 Pflegebedürftige haben Hilfe von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten erhalten.
Darüber hinaus gibt es eine weitere Gruppe von 210.000 Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 und entsprechendem geringen Unterstützungsbedarf.

Pflegedienste betreuen Ende 2019 153.000 Pflegebedürftige (18,4%) mehr als Ende 2017. Die Anzahl der Pflegegeldempfänger stieg um 352.000 (19,9 %).

Zum Stichtag 15.12.2019 gab es in Deutschland 14.688 ambulante Pflege- und Betreuungsdienste. 421.500 Mitarbeitende waren in der ambulanten Pflege tätig.

Gehen wir ins Detail – und in interessante Entwicklungen:

Die Anzahl der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste in Deutschland ist weiter gestiegen:

Die Trägerschaft der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste verteilt sich Ende 2019 wie folgt: Private und inhabergeführte Dienste 67% (+1%), freigemeinnützige Dienste 32% (- 1%), öffentliche Träger 1% aus. (in Klammern: Entwicklung zu 2017)

Wie viele Patienten pflegt und betreut ein ambulanter Pflege- und Betreuungsdienst?

Pflegedienste sind somit statistisch gesehen größer geworden. Ein Problem wirft die Pflegestatistik aber jedes Mal auf: Es werden nur die anerkannt pflegebedürftigen Patienten abgefragt. Alle Patienten, die häusliche Krankenpflege erhalten und/oder Privatleistungen vereinbart haben, sind nicht mit erfasst. Eigene Untersuchungen bei strategischen und betriebswirtschaftlichen Beratungen von Pflegediensten haben ergeben, dass Pflegedienste häufig zusätzlich SGB V Patienten im Umfang von ca. 30 % und Privatleistungspatienten von ca. 1-2 % versorgen. Die Patienten, die sowohl SGB V als auch SGB XI Leistungen erhalten, sind in der Pflegestatistik erfasst.

Daher versorgt ein durchschnittlicher Pflegedienst in Deutschland Ende 2019 ca. 67 (+ ca. 20) = ca. 87 Patienten insgesamt.

Die Anzahl der Pflege- und Betreuungskräfte in der ambulanten Pflege ist weiter gestiegen und betrug Ende 2019 insgesamt 421.550 Mitarbeitende.

Erfreulich ist auch festzustellen, dass der Anteil der Auszubildenden weiter zugenommen hat und dass auch immer mehr Männer für die Pflegeausbildung gewonnen werden können.

Die nächste Übersicht sollte aber allen Beteiligten im ambulanten Gesundheitswesen große Sorgen bereiten. Mögliche Handlungsschritte dazu auch am Ende des Textes:

Positiv ist, dass die Anzahl der Beschäftigten in der Pflege um über 30.000 Mitarbeitende (entspricht 8%) zugenommen hat. Dies ist natürlich auch notwendig, um den hohen Anteil von 18,4 % mehr Pflegebedürftige irgendwie betreuen und pflegen zu können. 

Sieht man sich aber den Anteil der Pflegekräfte über 50 Jahre an, so ist deren Anteil von 155.631 Mitarbeitende (Pflegestatistik 2017) auf 173.280 (Pflegestatistik 2019) gestiegen. 
Anders gesagt: Von den 421.550 Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege sind 41,11 % über 50 Jahre und werden somit in Kürze oder innerhalb der nächsten 15 Jahren in Rente gehen. (Vergleichszahl aus der Pflegestatistik 2017: 39,87 %)

Gibt es länderspezifische Auffälligkeiten und Unterschiede der Pflegestatistik 2019 im Vergleich zu 2017?

So, wie die Rahmenbedingungen für die ambulante Pflege in den einzelnen Bundesländern zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen und den Spitzenverbänden der freigemeinnützigen Träger und den Berufsverbänden der privaten Pflegedienste ausgehandelt worden sind, so haben sich in der Vergangenheit entsprechende Strukturen bei den Pflegediensten gebildet. Nicht unwichtig sind auch die Vereinbarungen in der häuslichen Krankenpflege in den jeweiligen Bundesländern, da Pflege- und Betreuungsdienste in der Regel beide Leistungsbereiche anbieten. Eine Ausnahme bildet Berlin: Hier gibt es aufgrund der hohen Zulassungsvoraussetzung von 8 examinierten Vollzeitkräften für die häusliche Krankenpflege viele Pflegedienste, die nur SGB XI Leistungen anbieten.

Die Länderauswertung weist einige Lücken (x) auf, so dass hier keine oder nur bedingte Aussagen möglich sind. Einige Bundesländer werden im Folgenden besonders erwähnt:

Insgesamt gab es mehr Neuzulassungen oder Filialgründungen von Pflegediensten bei den privaten Trägern. 
Besonders fällt dies in Baden-Württemberg auf, da dort der Anteil der freigemeinnützigen Pflegedienste in der Vergangenheit deutlich höher und der Anteil der privaten Pflegedienste geringer als im Bundesdurchschnitt war. Als Begründung dafür wird die traditionelle enge Verbindung der Wohlfahrt mit den Kommunen und die kommunalen Zuschüsse zur Versorgungssicherheit für die Wohlfahrt in der Vergangenheit vermutet. Dies ändert sich nun seit einigen Jahren, sodass private Pflegedienste bessere Marktchancen und -gleichheiten sehen.

Vergleichbares kann für den Freistaat Bayern gedeutet werden. Die freigemeinnützigen Träger haben weiterhin eine hohe Bedeutung, eine stärkere Entwicklung bei Neu- und Filialgründungen geschieht jedoch bei privaten Pflegediensten. In unserer eigenen Beratungspraxis der Jahr 2019 und 2020 wurden mehrere Existenz- und Neugründungen in Bayern begleitet und Filialen von freigemeinnützigen Diensten geschlossen oder an andere Träger weitergegeben.

In Brandenburg sind Pflegedienste überproportional neu gegründet oder als Filialbetrieb zugelassen worden. Auf die Besonderheit von öffentlichen Pflegediensten wird am Ende noch eingegangen.

In Bremen hat entgegen dem Bundestrend die gesamte Anzahl der Pflegedienste gering abgenommen. Nimmt man die Anzahl von 112 zugelassenen Pflegediensten aus der Pflegestatistik 2015 hinzu, so kann vermutet werden, dass in den Stadtvierteln und Quartieren in Bremen sich die Pflegedienste entsprechend aufgeteilt und ihre Organisationseinheiten optimiert haben. Dafür spricht auch die hohe Anzahl von versorgten Patienten pro Pflegedienst, die durch kurze Fahrwege von Mitarbeitern möglich ist.

Hessen hat im Vergleich zu anderen Bundesländern 2019 die geringste Quote „versorgte Patienten pro Pflegedienst“. Die Zunahme von privaten Pflegediensten ist überdurchschnittlich. Öffentliche Träger haben Pflegedienste aufgegeben.

Im Saarland fällt auf, dass die Anzahl der privaten Pflegedienste deutlich abgenommen hat. Diese versorgen 43,9 Patienten pro Pflegedienst im Durchschnitt. Da weitere Vergleichsdaten fehlen, aber im Saarland pro Pflegedienst insgesamt 87,3 Patienten SGB XI versorgt werden, muss unterstellt werden, dass gerade kleine private Pflegedienste aufgeben bzw. verkauft werden und ihre Zulassung zurückgeben. 

Sachsen und Sachsen-Anhalt und Thüringen weisen untypische Entwicklungen auf: Eine geringe bzw. durchschnittliche Zunahme von privaten Pflegediensten, eine überdurchschnittliche Zunahme bei freigemeinnützigen und öffentlichen Trägern.

Die Entwicklung bei den öffentlichen Trägern, die insgesamt 1% der Pflegedienste in Deutschland darstellen, sollte noch genauer betrachtet werden. Es zeichnen sich zwei Trends ab:

Trend 1: Aufgabe des kommunalen Pflegedienstes oder Abgabe an andere Pflegeanbieter. Häufiger Grund ist die fehlende Wirtschaftlichkeit oder personelle Perspektive oder die politische Entscheidung, als Kommune nicht mehr im Pflegemarkt und als Mitbewerber tätig zu sein. Dies ist in Hessen, NRW und Schleswig-Holstein besonders auffällig.

Trend 2: Neugründung eines kommunalen Pflegedienstes im Rahmen einer politischen Entscheidung, um eine pflegerische Versorgungssicherheit und Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger in einer Kommune zu erreichen. Damit sind die neuen Zulassungen in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu erklären.   

Was bedeuten diese vielen Zahlen und Daten nun für den Alltag Ihres Pflegedienstes?

Da die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern verschieden ist, sollen hier allgemeingültige Tendenzen und Trends dargestellt werden:

  • Ein durchschnittlicher Pflegedienst versorgte Ende 2019 ca. 87 Patienten SGB V und SGB XI. Sie können daher feststellen, wie ihr Pflegedienst im Verhältnis dazu steht.
  • Organisatorisch können Pflegedienste mit ca. 120 bis 150 Patienten gut und effektiv von einer Pflegedienstleitung und Stellvertretung geführt werden. Eine Überschaubarkeit der Patienten und Mitarbeiter ist noch möglich. 
  • Kleine Pflegedienste unter 60 Patienten müssen die gleichen Standards vorhalten wie größere Dienste, sind aber z.B. im Krankheitsfall von Mitarbeitern wesentlich schwieriger zu steuern. Daher sollte strategisch überlegt werden, entweder zu wachsen – oder auf Dauer den Pflegedienst in eine größere Organisationseinheit einfließen zu lassen und abzugeben.
  • Achten Sie in Zukunft aber auch auf überschaubare Organisationseinheiten für die Pflegedienstleitung und die Teams, damit sie eine effektive Planung durchführen können und für die Mitarbeiter trotz abnehmender Loyalität (Generation Y und Z) eine positive Teamzusammengehörigkeit erkennbar bleibt.
  • Es zeigt sich aus der Pflegestatistik, dass im Pflegegrad 1 eine relativ große Gruppe (191 000 Pflegebedürftige) zum Jahresende keine Entlastungsleistungen abruft. Für die Nichtnutzung wurde angegeben: „Nicht bekannt“, „ein bisher fehlender Bedarf“ oder „die Beträge sollen aufspart werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt einzusetzen.“ Dies bedeutet für die Pflegedienste, ihre Beratungskompetenz und Beratungsansätze zu überprüfen und auch gerade in diesem niedrigschwelligen Bereich interessante Angebote mit Nicht-Pflegefachkräften zu entwickeln.
  • Die große Spanne der versorgten Patienten pro Pflegedienst ist abhängig von der städtischen oder ländlichen Versorgungsstruktur. Für das Jahr 2021 sollte aber jeder Pflegedienst a) seinen Einzugsbereich neu festlegen (wo will ich tätig sein), b) seine Touren optimieren (wann erbringe ich welche Leistungen) c) seinen Personaleinsatz überprüfen (welcherMitarbeiter erbringt welche Leistung) und d) Kooperationspartner außerhalb des eigenen Versorgungsbereichs suchen (an wen kann ich Anfragen außerhalb meines Versorgungsgebietes weiterleiten). 
  • Ambulante Pflegedienste können in Zukunft nur weiterhin stabil bleiben oder sogar wachsen, wenn sie sich als „attraktiver Arbeitgeber“ weiterentwickeln. Dazu gehört, seine (haus-)tarif-lichen Regelungen zu überprüfen und Gehalt und sonstige Angebote wie Massage, Gesundheitsförderung, E-Bike-leasing, Einkaufsservice für Mitarbeiter, etc. transparent nach innen und außen z.B. auch auf der Homepage und den sozialen Medien darzustellen. Dabei geht es darum, nicht eine Vielzahl von Angeboten zu haben, sondern für die Mitarbeiter hilfreiche und interessante Angebote zu schaffen.
  • Akzeptieren Sie den Paradigmenwechsel: Sie bewerben sich heute als Pflegedienstleitung oder Inhaber bei potentiellen Mitarbeitern, nicht umgekehrt. Machen Sie sich interessant – und auch deutlich, wofür Sie stehen und was möglich ist und was auch nicht.
  • Verbessern Sie Ihr Führungsverhalten und Ihre Kommunikation. In Zukunft ist wichtig, ein generations- und lebensphasenorientiertes Personalmanagement im Betrieb umzusetzen und situativer auf Ihre Mitarbeiter eingehen zu können (Wawrik, Kämmer: Erfolgreich führen und leiten. Vincentz Network, 2019) 
  • Erkennen Sie Ihre Möglichkeiten und Grenzen in der ambulanten Pflege. Sie können nur so viele Patienten versorgen und aufnehmen, wie Sie Personalkapazität haben. Eine verlässliche Versorgung der aufgenommenen Patienten ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Das bedeutet aber auch, dass Sie sich in Zukunft immer zwischen Aufnahmemöglichkeit und partiellem Aufnahmestopp bewegen.
  • Pflegedienste, die neben einer überschaubaren organisatorischen Größe eine Tagespflege oder ein Betreutes Wohnen oder eine Seniorenwohngemeinschaft betreiben, erhöhen mit ihrem Pflegenetzwerk ihre Marktposition und werden für Mitarbeiter wie auch Patienten interessanter als andere Pflegedienste.

Es gibt eine Sicherheit, die auch die nächste Pflegestatistik in zwei Jahren darstellen wird: Die Anzahl Pflegebedürftiger hat weiter zugenommen. Der Unterstützungs- und Hilfebedarf wächst weiter.