Eine Tagespflege refinanziert sich überwiegend über den Pflegesatz incl. Unterkunft und Verpflegung, der mit den Pflegekassen im Rahmen der Pflegesatzverhandlung vereinbart wird. Träger von stationären Einrichtungen kennen dies aus der stationären Pflege. Vieles ist dort ähnlich. Für Träger von ambulanten Pflegediensten ist viel „anders“, da die ambulante Pflege sich über abgerechnete Leistungen und nicht über einen Pflegesatz pro Belegungstag finanziert.

Egal ob Sie gerade eine neue Tagespflege eröffnet haben oder schon mehrere Jahre in Betrieb sind: Eine Pflegesatzverhandlung sollte gut vorbereitet sein und in der Regel jährlich durchgeführt werden und ist maßgeblich für die wirtschaftliche Situation Ihrer Tagespflege. Und vorweg gesagt: Es ist eine individuelle Verhandlung auf der Basis von Struktur- und Rahmenbedingungen, die in den einzelnen Bundesländern verschieden festgelegt sind und zu unterschiedlichen Pflegesätzen von Tagespflege zu Tagespflege, von Region zu Region, von Bundesland zu Bundesland führt.

Beispiele dazu?

In Niedersachsen haben Sie die Möglichkeit, mit einem einheitlichen Pflegepersonalschlüssel oder mit einem nach Pflegegraden differenzierten Pflegepersonalschlüssel zu kalkulieren. Hessen sieht einen gewichteten Personalschlüssel vor.

In NRW teilt der Träger den Pflegekassen seine Sätze für den Fahrdienst mit, der ohne Verhandlung der Fahrtkosten mit in die Pflegesatzvereinbarung übernommen wird. In Bayern werden Entfernungskilometer oder eine Pauschale verhandelt. 

In Hessen kann ein Gewinnzuschlag in der Pflegesatzkalkulation eingetragen werden. In Niedersachsen ist dies nicht vorgesehen.

In Bayern kann eine Pflegedienstleitung überwiegend in der ambulanten Pflege und mit einem geringen Stundenanteil in der Tagespflege tätig sein. In NRW wird in der Regel von einer 0,5 VK Pflegedienstleitung ausgegangen.

In Hessen wird mit 85 %, in Rheinland-Pfalz mit mind. 85 % und in Sachsen mit 90 % Belegung kalkuliert. 

Folgende Faktoren und Begriffe sind für die Finanzierung einer Tagespflege relevant:

1)PflegesatzFür den pflegebedingten Aufwand und anteilige Energiekosten, Verwaltungsbedarf etc.
2)UnterkunftFür anteilige Personalkosten der Hauswirtschaft, Energiekosten, Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf etc.
3)VerpflegungFür die Lebensmittelkosten
4)Zusätzliche Betreuung nach § 43b SGB XIFür die Personal- und Sachkosten der zusätzlichen Betreuungskraft (bundesweiter Schlüssel 1:20)
5)FahrtkostenFür die Personal- und Sachkosten des Fahrdienstes
6)ZusatzleistungenFür zusätzliche Angebote, die die Tagespflege im Rahmen eines Privatzahlerkataloges anbietet
7)InvestitionsanteilFinanzierung der Investitionen (Miete oder Kreditkosten, Abschreibung des Inventars)

Die mit der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen im jeweiligen Bundesland und dem Sozialhilfeträger bei Landkreis/ Region/ Landschaftsverband etc. verhandelte und abgeschlossene Vergütungsvereinbarung ist das Fundament für eine wirtschaftliche Basis der Tagespflege. Die Vergütungsvereinbarung ist das Ergebnis der Pflegesatzverhandlung. Die Vergütungsvereinbarung wird i.d.R. für 12 Monate abgeschlossen (und läuft solange weiter, bis der Tagespflegebetreiber die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen zur neuen Vergütungsverhandlung auffordert).

In der Pflegsatzverhandlung werden in der Regel der Pflegesatz, Unterkunft+ Verpflegung, die „Zusätzliche Betreuung nach § 43b SGB XI“ und die Fahrtkosten verhandelt. Die Investitionskosten-(Förderung) wird mit dem Landkreis/ Sozialhilfeträger/ Bundesland geklärt und je nach Bundesland den Gästen in Rechnung gestellt oder vom Sozialhilfeträger übernommen.

Dies bedeutet: Die Refinanzierung der laufenden Kosten der Tagespflege wird hauptsächlich über die vereinbarte Vergütung mit den Pflegekassen gedeckt. Ein realistisches und stabiles Fundament (durch gut verhandelte Pflegesätze) entscheidet über die wirtschaftliche Ausgangslage und Zukunft der Tagespflege. Dementsprechend ist es bereits vor Eröffnung der Tagespflege wichtig, die Aufwendungen und Erträge realistisch einzuschätzen und in die Pflegesatzverhandlung einfließen zu lassen. Ab dem zweiten Betriebsjahr können Daten aus den Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) die Prognosen ersetzen. 

Grundsätze der Pflegesatzverhandlung:

  • Eine Pflegesatzverhandlung findet immer prospektiv, das heißt, für die Zukunft statt. Bekannte oder geplante Personal- und Sachkostensteigerungen müssen unbedingt in die Pflegesatzbeantragung und -verhandlung mit hineingenommen werden, da anders die Kostensteigerungen während der Laufzeit des Vergütungsvereinbarung nicht refinanziert werden können.
  • Strategische Planung: Wo will ich mich mit meiner Tagespflege positionieren?

In vielen Regionen gibt es heute schon eine Auswahl an Tagespflegen. Gäste und Angehörige vergleichen möglicherweise die Preise und Angebote der Betreuung. Daher ist es wichtig, sich richtig im „Tagespflege-Markt“ zu positionieren.

  • Belegbare Planung: Kann ich die Pflegesatzkalkulation mit belegbaren und nachweisbaren Unterlagen planen? 
    Ein Betreiber hat auf Verlangen der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen Nachweise über beantragte Personal- und Sachkosten vorzulegen, die stimmig sein müssen.
  • Pflegekassen haben anders als in der ersten Dekade des 21. Jahr­hun­derts, in der die sogenannte Marktpreisrechtsprechung galt (Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2000, Az. B 3 P 19/00 R) heute die Tarifkosten für Pflegepersonal als Kostenfaktor anzuerkennen (BSG-Urteil vom 29. Januar 2009, Az. B 3 P 6/08 R). Weitere Ur­teile und Schiedssprüche be­kräftigten diese Entscheidung (BSG-Urteile vom 25. November 2010, Az. B 3 KR 1/10 R, und vom 16. Mai 2013, B 3 P 2/12 R)) die belegbaren Personalkosten eines Trägers anerkennen zu müssen.
  • Kalkulieren Sie Zeit ein. Die Pflegekassen sind zwar gehalten, innerhalb von sechs Wochen nach Aufforderung zur Pflegesatzverhandlung diese mit Ihnen durchzuführen oder Ihnen ein Angebot zu unterbreiten, oftmals gibt es aber keine Krankheits- oder Urlaubsvertretung des Verhandlers der Pflegekasse.
  • Informieren Sie rechtzeitig schriftlich Ihre Tagespflegegäste über die Aufnahme der Pflegesatzverhandlung und Ihren Antrag.
  • Und letztendlich: Eine Pflegesatzverhandlung ist vielfach ein Kompromiss zwischen den Wünschen des Tagespflegebetreibers und dem ersten Angebot oder der Nachverhandlung der Pflegekassen.

Für eine neue Tagespflege: Überlegungen für die Vorbereitung einer Pflegesatzverhandlung

Beginnen Sie früh genug mit den Planungen für die Pflegesatzverhandlungen, am besten ca. 4-5 Monate vor dem geplanten Beginn. Machen sie eine kurze Marktanalyse der Tagespflegen im Umkreis von z.B. 25 km. Wo wollen Sie sich mit Ihrer Tagespflege positionieren? Differenzieren Sie Ihre Planung beim Pflegesatz und bei den Kosten von Unterkunft und Verpflegung. Letzteres zahlt der Gast je nach Häufigkeit des Tagespflege-Besuchs anteilig selbst. 

Beispiel: Sie wollen sich bei den Pflegesätzen im oberen Viertel der umliegenden Tagespflegen aus Ihrer Marktanalyse und bei Unterkunft und Verpflegung im Mittelfeld positionieren. Gleichen Sie diese Überlegung im zweiten Schritt mit der belegbaren Planung ab. Wenn Sie eine deutlich untertarifliche Vergütung Ihren Mitarbeitern zahlen, werden Sie im Vergleich zu Tagespflegen von tarifgebundenen Trägern nicht die gleichen Pflegesätze erhalten können. 

Parallel zur Verhandlung über den Pflegesatz findet bei einer neuen Tagespflege auch das Zulassungsverfahren (je nach Bundesland) mit dem gleichen Verhandlungsführer der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen (so z.B. in NRW) oder mit verschiedenen Verhandlungsführern (so z.B. in Niedersachsen) statt. Hinzu kommt i.d.R. die Abstimmung mit dem jeweiligen Landkreis bzw. der Heimaufsicht. Das Ergebnis des Zulassungsverfahrens ist die Genehmigung der zuständigen Behörde und der Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI, der zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen und dem zuständigen Sozialhilfeträger (oftmals der Landkreis) und Ihnen als Betreiber geschlossen wird. Ohne Versorgungsvertrag kann es keine Vergütungsvereinbarung für eine neue Tagespflege geben. 

Für eine bestehende Tagespflege: Überlegungen für die Vorbereitung einer neuen Pflegesatzverhandlung

Prüfen Sie als erstes ebenso unter strategischen Gesichtspunkten die Marktposition Ihrer Tagespflege in Ihrer Region. Sind Sie die Tagespflege mit dem höchsten Unterkunft- und Verpflegungssatz? Dann sollte möglicherweise an dieser Stelle nur eine geringe Erhöhung verhandelt werden. Planen Sie für Ihre Mitarbeiter eine deutliche Gehaltserhöhung und haben Sie durchschnittliche Pflegesätze? Dann wäre dies bei der Beantragung des Pflegesatzes mit einzuplanen.

Denken Sie auch hier an den Faktor Zeit und bereiten Sie für die Pflegesatzbeantragung und -verhandlung Ihre Unterlagen aus der Personalabteilung und Buchhaltung entsprechend vor.

Für eine Tagespflege muss Ihre Buchhaltung oder Ihr Steuerberater grundsätzlich eine eigene (Unter-) Kostenstelle eingerichtet haben. Dort müssen alle Erträge und Aufwendungen der Tagespflege entsprechend gebucht sein. Für eine Pflegesatzverhandlung ist es auch notwendig, dass die betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) für diese Kostenstelle zeitnah erstellt und vorgelegt werden können.

Geplante Personalkostensteigerungen, die bei der Pflegesatzverhandlung beantragt werden, müssen belegbar (z.B. als schriftliche Ankündigung an die Mitarbeiterschaft) vorgelegt werden können. 

Wer sitzt Ihnen gegenüber?

Überlegen Sie: Wer sitzt auf der anderen Seite bei einer Pflegesatzverhandlung? Die Pflegekassen, die in jedem Bundesland sich als Arbeitsgemeinschaften der Pflegekassen organisiert haben, haben die einzelnen Regionen in „federführende Pflegekassen bzw. Verhandler“ aufgeteilt. Somit haben Sie meist mit einem erfahrenen Pflegesatz-Verhandler einer Pflegekasse im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen zu tun. Hinzu kommt häufig ein Vertreter des Landkreises/ Sozialhilfeträgers. Deren Probleme und Krux: Sie müssen die ausgehandelten Ergebnisse auch gegenüber ihren Kollegen der anderen Pflegekassen und Regionen erklären und vertreten können. Daher orientieren sich die Pflegekassenverhandler an Vergleichsdaten und -strukturen ihres Bundeslandes bzw. ihrer Region. Bei einer Pflegesatzverhandlung in Niedersachsen vor einigen Wochen wurde ein Antrag auf eine Differenzierung beim Fahrdienst nach Stadt- und Landfahrt und Zuschlag für Rollstuhltransporte seitens der verhandelnde Pflegekasse als unüblich abgelehnt. Da in anderen Regionen in Niedersachsen jedoch dieses System vereinbart ist und dies auch der Sozialhilfeträger kannte, konnte letztlich gleiches auch für eine neue Tagespflege vereinbart werden.

Die Verhandlungsführer der Pflegekassen sollten eigentlich an einer wirtschaftlich soliden Einrichtung Interesse zeigen – müssen jedoch die ausgehandelten Pflegesätze vor den anderen Kollegen der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen vertreten und rechtfertigen. Große Abweichungen von der „Normal-Tagespflege“ sind daher häufig schwierig zu begründen.

Was können Sie machen? Ein fairer, offener, transparenter und kompromissbereiter Umgang Ihrerseits mit den Verhandlungsführern der Pflegekasse ist eher hilfreich, als wenn Sie nur auf Ihre maximalen Forderungen pochen. 

Und die Praxis hat sich verändert. Gab es vor Jahren Pflegesatzverhandlungen vielfach noch „vor Ort“ in der Tagespflege, finden heute aufgrund der Arbeitsbelastung bei den Pflegekassen Pflegesatzverhandlungen häufig auch per E-Mail und Telefon statt, um Zeit zu sparen.

Pauschale Vergütungserhöhung?

In einigen Bundesländern gibt es zum Teil das Angebot der Pflegekassen von pauschalen Pflegesatzerhöhungen im Rahmen eines vereinfachten Antrags- und Nachweisverfahrens. Dies kann eine sinnvolle Möglichkeit für einen Tagespflegebetreiber darstellen, wenn seine eigenen Personal- und Sachkostensteigerungen sich im angebotenen Rahmen bewegen. 

Selbst verhandeln oder mit einem erfahrenen Berater? 

In der Regel empfiehlt es sich, dass die gut vorbereitete Pflegesatzverhandlung durch eine erfahrene Person durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist oft bei größeren Trägern eine spezifische Person für diese Aufgabe tätig. Diese Mitarbeiterin sollte über folgende Fähigkeiten verfügen: Verhandlungsgeschick, Schlagfertigkeit, sachliche und ruhige Kommunikation. Ebenfalls sollte diese Person mit den Inhalten und Besonderheiten, Prozessen und Aufwendungen der eigenen Tagespflege vertraut sein, um möglichst überzeugend argumentieren zu können. Ein Beispiel? Bei einer von uns begleiteten Pflegesatzverhandlung wurde seitens der Pflegekassen argumentiert, „die beantragten 500 € für Dienstkleidung seien doch sehr unüblich und daher nicht anzuerkennen“. Unsere Antwort, dass Mitarbeiter für die Gäste und die Angehörigen dadurch besser wahrgenommen werden können, führte zur Anerkennung dieser Position. 
Bei Trägern oder Tagespflegen, die in dieser Hinsicht wenige Erfahrungswerte besitzen, kann es nützlich sein, eine externe Beratung eines Berufsverbandes, eines Spitzenverbandes oder eines Beratungsunternehmens hinzuzuziehen. 

Pflegesatzverhandlungen gestalten Rahmenbedingungen für die Tagespflege, die Mitarbeiter und die Gäste. Nicht jährlich zu verhandeln bedeutet, die Tagespflege nicht weiterentwickeln zu können.