Führen mit Zielvereinbarungen in der ambulanten Pflege.

Teil 2: Jahresgespräch / Mitarbeitergespräch / Teamgespräch
Lästiges Übel oder hilfreiche „Pflichten“ für Vorgesetzen und Mitarbeiter

Im ersten Teil des „Führens durch Zielvereinbarungen“ wurde dargestellt, dass Zielvereinbarungen als Führungsinstrument zur unternehmerischen Kultur gehören sollten und eine Reihe von Grundlagen vorab benötigt werden.

Im zweiten Teil soll nun das „Wie“ und gelingende Faktoren des „Führens durch Zielvereinbarungen“ beschrieben werden:
Zwei Grundlagen sind dafür wichtig: a) das Leitungsverständnis und die Haltung der Führungskraft, b) das strukturierte Instrument des Jahresgespräches.

„Meine Chefin macht am liebsten alles selbst. Man kann es ihr nie recht machen. Immer hat sie noch was zu kritisieren. Heute gibt sie mir einen Auftrag und übermorgen hat sie selbst schon die Aufgabe erledigt. Anderen Mitarbeitern geht es genauso. Heute rechtsrum, morgen linksrum. Wie soll es im nächsten Jahr weitergehen? Keine Ahnung. Viele Mitarbeiter wie ich auch haben eigentlich gute Ideen, aber sie gehen unter oder wollen nicht gehört werden. Wenn die Patienten nicht wären, würde ich vielleicht woanders hingehen…“ Ursula K.

Führen durch Zielvereinbarung verlangt von der Führungskraft oder den Vorgesetzten nicht nur die im ersten Teil beschriebenen Grundlagen, sondern auch eine eigene Haltung, mit Zielen führen zu wollen.

Dies bedeutet anders als in der Aussage von Ursula K., dass dem Mitarbeiter Perspektiven klar sind und ihm zugetraut wird, eine zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam vereinbarte längerfristige Aufgabe zu erledigen, selbst wenn dieser es anders löst als die Führungskraft selbst. Es bedeutet, für den Mitarbeiter transparent, offen, klar zu sein, und nach einer gemeinsamen Zielvereinbarung ihn zunächst selbst machen zu lassen. Die Aufgabe delegieren zu wollen und Vertrauen in den Mitarbeiter zu haben. Das Ergebnis ist das wichtige, weniger der Weg dahin.

Ein hilfreiches Instrument des Führens durch Zielvereinbarung ist das strukturierte Jahresgespräch.
Mitarbeitergespräche und Kommunikation mit ihnen findet i.d.R. täglich oder in bestimmten oder vereinbarten Rhythmen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern statt. Sei es, dass die Mitarbeiterin von der Pflegetour zurückkommt und die Vorgesetzte kurz über Besonderheiten bei Patienten informiert wird oder neue Wünsche oder Bedarfe weitergibt. Oder im Rahmen von wöchentlichen Teamsitzungen, in denen Patienteninformationen und dienstliche Internas ausgetauscht werden oder Kurzschulungen stattfinden.
Auch hier findet natürlich Kommunikation und Führung durch die vorgesetzte Person statt. Diese Mitarbeitergespräche oder Teamgespräche sind aber eher spontan oder anlassbezogen und haben i.d.R. einen kurzfristigen Themenhorizont.

Führen durch Zielvereinbarung im Rahmen eines Jahresgespräches findet in der Regel einmal im Jahr ohne aktuellen Anlass angekündigt, vertraulich und partnerschaftlich geführt und von beiden Seiten vorbereitet in einem störungsfreien Rahmen und mit ausreichender Zeit statt.
Sich i.d.R. einmal im Jahr eine gewisse Zeit für den Mitarbeiter nehmen, vorbereitet und strukturiert und losgelöst von der Alltagskommunikation ist für den Vorgesetzten nicht ein lästiges Übel, wenn man mit Zielvereinbarung führt, sondern hilfreich auf inhaltlicher und persönlicher Ebene für den Mitarbeiter. Er erfährt Wertschätzung, Förderung, Forderung, Zuhören, Austauschen, gemeinsame Reflektion und Planung mit dem Vorgesetzten und erlebt sich somit als wichtiger Akteur im Pflegedienst.
Der Mitarbeiter erhält ein „Zeitgeschenk“ vom Vorgesetzten im Jahresgespräch, nicht nur einen Pflichttermin und er kann erfahren, dass sein Vorgesetzter aktiv zuhört, mit ihm plant, Aufgaben überträgt und ihn beteiligt. Welch eine Chance für eine langfristige und motivierende Bindung an den Pflegedienst!

Was sind die Ziele eines Jahresgesprächs:
– Das Mitarbeitergespräch ist ein „Fördergespräch“
– Der Mitarbeiter soll den vergangenen Zeitraum reflektieren, seinen heutigen Stand und Pläne und Wünsche für die Zukunft benennen können.
– Ihm soll eine Orientierung vom Vorgesetzten zu seiner beruflichen und fachlichen und persönlichen Entwicklung gegeben werden.
– Die gegenseitigen Erwartungen sowie die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und anderen Mitarbeitern werden geklärt und Rückmeldungen zu seinen Leistungen gegeben.

Gelingende Faktoren für das Jahresgespräch sind ein stimmiges Führungsverhalten der Führungskraft, eine offene Kommunikation, eine frühzeitige Terminabsprache, eine Vorbereitung von beiden Gesprächsteilnehmern, ein geschützter und passender Gesprächsraum, Arbeitshilfen wie ein Vorbereitungsbogen und ein Protokollbogen.
Die Vorbereitungsbögen und das Gespräch beinhaltet das letzte Jahr, die aktuelle Situation und das kommende Jahr und eine fachliche und eine persönliche Ebene, wie in der Matrix dargestellt ist:

Inhalte und mögliche Struktur des Jahresgesprächs:

Einstieg: Was waren Besonderheiten des letzten Jahres?
Letztes Jahr Fachliche Themen: Stärken und Schwächen Selbsteinschätzung und Rückmeldung von der Führungskraft
Persönliche Themen: Je nach Situation
Vereinbarte Ziele: Erreicht, nicht erreicht Selbsteinschätzung und Reflexion und Rückmeldung von der Führungskraft
Heute Arbeitssituation und -zufriedenheit Selbsteinschätzung, Austausch und Reflexion
Persönliche Themen: Je nach Situation
Führung und Zusammenarbeit Austausch und Reflexion
Nächstes Jahr Fachliche Planungen
Persönliche Planungen
Weitere Wünsche
Vereinbarung von smarten Zielen
Abschluss, Absprachen und Reflexion des heutigen Jahresgesprächs

Von jedem Jahresgespräch wird ein Protokoll angefertigt. Es hat sich in der Erfahrung bewährt, dass der/die Mitarbeiter/in dieses schreibt. Eine Protokollvorlage kann für den Mitarbeiter beim Erstellen hilfreich sein. Das Protokoll muss zeitnah (max. 14 Tage) erstellt werden und nach Durchsicht von beiden Gesprächspartnern unterzeichnet werden. Es dient als Rahmen und Vereinbarung für den nächsten Zeitraum und als Reflexionsbasis für das nächste Jahresgespräch.

Vereinbarte Ziele im Rahmen des Jahresgesprächs müssen SMART sein. Dieses Wort steht für die Begriffe:

S Spezifisch, d.h. konkret Ein Ziel soll spezifisch, konkret, eindeutig und präzise formuliert werden. Denn ein Ziel ist kein vager Wunsch. Z.B.: „Jedes Mal, wenn Du in das Patientenzimmer gehst, sprichst Du freundlich den Bewohner an“.
M Messbar „Wir wollen nächstes Jahr besser werden“ ist unkonkret und nicht messbar.
„Die Kundenzufriedenheit beträgt bei der jährlichen Kundenbefragung 2,5 oder besser.“ (messbar und konkret und überprüfbar)
A Aktionsorientiert Das Ziel soll positiv und aktionsorientiert formuliert werden. Ihr Ziel sollte Ihnen bestenfalls Vorfreude bereiten.
R Realistisch Ein Ziel sollte fordern, aber nicht überfordern und es muss erreichbar sein. Z.B.: „Wir gewinnen nächstes Jahr 50 neue Hausnotrufteilnehmer hinzu“.
T Terminiert Für jedes Ziel wird ein Termin vereinbart, bis wann das Ziel erreicht sein soll. „Bis zum 30.06. ist die Durchführung von 5 Pflegevisiten pro Monat eingeführt,“ wäre z.B. ein Ziel für eine Führungskraft.

Auch das Jahresgespräch zwischen Führungskraft und seinem Vorgesetzten, z.B. Inhaber oder Geschäftsführer läuft in vergleichbarer Weise ab. Hier sind neben den o.a. Punkten zusätzlich noch strategische Themen wie z.B. Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Einhaltung gesetzlicher und pflegerischer Bestimmungen etc. zu beachten. Daher gibt es auf diesen Gesprächs-Vorbereitungsbögen zusätzliche Themenfelder.
Und noch eins: Ein Jahresgespräch sollte vorbereitet, strukturiert, wertschätzend und zielvereinbarend geführt werden. Aber nicht „Punkt für Punkt“ auf einer „Checkliste“ abarbeitend, sondern im freien und gelenkten Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter.

Falls im Pflegedienst mit Bonus oder anderen Anreizen für die Führungskräfte und/oder Mitarbeiter und/oder das Team gearbeitet wird, ist die Vereinbarung von Zielen im Rahmen der Zielerreichung und ggfls. Ausschüttung besonders wichtig. Mehr hierzu in

Teil 3: Bonus und/oder andere Anreizsysteme: Jahresgespräch, Zielerreichung – und dann?