Kennen Sie das als Pflegedienstleitung auch?
Sie planen z.B. eine Tour mit 5,5 Std., und die Mitarbeiterin kommt häufig und wiederholt erst nach 6 oder 6,5 Stunden wieder zurück.
Auf Ihre Frage, warum sie die Zeitplanung überschritten hat, erhalten Sie immer wieder verschiedene Antworten: sie habe einfach so lange benötigt, dem Patienten M. ging es nicht so gut, die Patientin B. musste erst noch was erzählen, …
Ihre Planung als PDL und Ihre Kalkulation der Einsätze und der Tour passen nicht mehr. Gleichzeitig erwartet die Mitarbeiterin aber, dass die „Mehrarbeitszeit“ berücksichtigt und anerkannt und vergütet wird.
Sie haben aber auch parallel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese geplante Tour i.d.R. zeitlich so umsetzen, wie Sie geplant haben.
Daher scheinen bei Ihrer Planung der Pflege- und Wegezeiten keine Fehler vorzuliegen.
Was tun?
Es ist nachgewiesen und belegt, dass in vielen ambulanten Diensten von Pflegekräften neben den vereinbarten und vergüteten Leistungen auch „versteckte Leistungen“, „EHDA-Leistungen“, „heimliche Leistungen“ erbracht werden. Beispiel: „Schwester, sie sind doch eh da. Können Sie mir bitte den Müllbeutel mit nach draußen nehmen? Ich komme nicht mehr gut die Treppenstufen herunter“. Die Begriffe dafür sind regional verschieden.
Diese können aber in der Gesamtsumme 5-7 % des Umsatzes oder des Zeitaufwandes von Pflegekräften ausmachen.
Erbrachte Ehda-Leistungen haben eine weitere Komponente: sie sind unsolidarisch. Wenn eine Mitarbeiterin beim Patienten Ehda-Leistungen erbringt und in Urlaub geht oder erkrankt und von einer Kollegin vertreten wird, erwartet der Patient auch von dieser Vertretung die Erbringung der Ehda-Leistungen. Hält sie sich an den Vereinbarungen zwischen Pflegedienst und Patient, so ist die eine „die gute Schwester“, die andere die „die schlechte Schwester“.
Pflegekräfte befinden sich häufig im Dilemma:
- Die Erwartungen der Patienten zu erfüllen, die sehr oft über den vertraglichen Vereinbarungen hinausgehen
- Die eigenen Vorstellungen als patientenorientierte Pflegekraft umsetzen zu wollen
- Die Vorgaben der Pflegedienstleitung eigentlich erfüllen zu müssen.
Das Dilemma als Pflegedienstleitung lautet:
- Die vertraglichen Vereinbarungen mit den Kranken- und Pflegekassen über Leistungsinhalte und Vergütungen zu planen und umzusetzen
- Die Erwartungen der Patienten erfüllen zu wollen
- Die eigenen Vorstellungen der Mitarbeiter beachten zu müssen
- Ihre Organisations- und Planungsverantwortung als Pflegedienstleitung ernst zu nehmen
- Ihre wirtschaftlichen Zielsetzungen des ambulanten Dienstes erreichen zu können.
Was ist zu tun?
Sie als Pflegedienstleitung können die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern verbessern, in den Sie diese Thematik aufgreifen und in einen größeren Zusammenhang bringen. Ehda-Leistungen sind unsolidarisch gegenüber Kollegen, bergen die Gefahr, im Alltag ausgenutzt zu werden und nicht „Nein“ gegenüber den weitergehenden Wünschen der Patienten sagen zu können, belasten die Zeitplanung des ambulanten Dienstes und führen häufig zu Konflikten im Team und zwischen Mitarbeitern und Leitung.
Getreu dem Pfadfinderprinzip „Sehen, urteilen, handeln“ sollten Sie als Pflegedienstleitung als erstes Ihre eigenen Planungen noch einmal überprüfen. Sind die vorhandenen Vereinbarungen mit den Patienten relativ zeitnah getroffen oder kontrolliert?
Sind Ihre hinterlegten Zeiten für die Pflege im
Leistungskatalog der Software richtig?
Sind auch die Wegezeiten über Ihr Software-Programm oder über Google-Maps
stimmig?
Wenn Ihre Planungsansätze überprüft und somit richtig sind, sollten Sie folgende nächste Schritte durchführen:
- Thematisierung dieses Themas von wiederholten Zeitüberschreitungen in einer Dienstbesprechung als erkanntes Dilemma zwischen Pflegekraft, Patient, Pflegedienstleitung.
- Übermittelte Wünsche nach weiterer Unterstützung oder Betreuungszeit seitens des Patienten ernst nehmen und kreativ als private Leistungsangebote umformulieren.
- Den Wunsch nach mehr Zeit für die Pflegekraft unterstützen.
- Bieten Sie Ihren Mitarbeitern folgenden
Lösungsvorschlag an:
„Es wäre doch gut, wenn wir die Wünsche der Patienten nach mehr Unterstützung und Hilfe erfüllen könnten und Pflegekräfte mit gutem Gefühl und Gewissen mehr Zeit beim Patienten verbringen können, oder? Damit kann auch das ständige Thema der Erklärung und Rechtfertigung bzw. der Zeitüberschreitung mit der Diskussion von anerkannter oder nicht-anerkannter Mehrarbeitszeit beenden werden, oder?“. Sie werden höchstwahrscheinlich hohe Zustimmung erhalten.
Aber wie dies nun umsetzen?
- Fragen Sie die Pflegekräfte, ob sie Ideen haben, wie dieses scheinbare Dilemma gelöst werden kann, greifen Sie diese auf und verbinden Sie dies mit Ihren Ansätzen und Planungen.
- Treffen Sie mit den Mitarbeiter/innen neue, nachstehende Vereinbarungen.
In der Praxis haben sich nach der ersten Sensibilisierung folgende nächsten Schritte bewährt:
- Lassen Sie z.B. eine Woche lang die Pflegekräfte
alle! Tätigkeiten aufschreiben, die sie bei einem Patienten durchführen.
Dies nur einen Tag durchzuführen reicht nicht. Es einen ganzen Monat
abzufragen, ist unnötiger Aufwand.
Geben Sie den Pflegekräften dafür eine Arbeitshilfe an die Hand, auf der viel angekreuzt und z.T. noch inhaltlich ergänzt werden kann (Checkliste mit vordefinierten Leistungen und mit Ergänzungsfeldern).
Definieren Sie für diese Überprüfung eine Woche mit Beginn und Ende. - Werten Sie im zweiten Schritt diese Tätigkeiten nach Inhalt und Zeitaufwand aus und stellen Sie die Auswertung in der nächsten Teamsitzung vor.
- Werden Sie jetzt kreativ (und binden Sie engagierte und kreative Mitarbeiter/innen mit ein): Formulieren Sie diese inhaltlichen Leistungsblöcke in positive, wertschätzende, hilfreiche Leistungen um. Erstellen Sie nicht zu viele Leistungen, da sonst eine Unüberschaubarkeit entsteht, die in der Praxis nicht genutzt wird.
- Stellen Sie diese neuen Service-Leistungen in der nächsten Teamsitzung vor und motivieren Sie die Mitarbeiterschaft, diese Leistungen als Erweiterung und Verbesserung des Angebotes Ihres Pflegedienstes zu verstehen.
- Erstellen Sie entsprechende Flyer und/oder Übersichtsblätter z.B. für Ihre Beratungsmappen.
Wie setzen Sie als Pflegedienstleitung dies nun weiter um?
- Vereinbaren Sie mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass für neue Patienten (ab sofort) neben den SGB V und SGB XI Leistungen diese Service-Leistungen angeboten werden, wenn in der Pflegepraxis seitens der Patienten diese Leistungsinhalte gewünscht werden oder Sie für sinnvoll erachten.
- Für bestehende Patienten vereinbaren Sie eine Karenzzeit bzw. suchen diese innerhalb der nächsten 2 Monate auf und bieten ihnen die gewünschten Hilfen als Service-Leistungen an.
Wenn dies dann nicht kostenpflichtig gewünscht wird, kein Problem: Sie sparen Zeit Ihrer Mitarbeiter/innen (und können diese z.B. für weitere Patientenanfragen einsetzen)
- Schulen Sie die Mitarbeiter/innen, wie sie auf die Fragen der Patienten reagieren können.
- Vereinbaren Sie mit den Mitarbeiter/innen, dass sie sich unverzüglich bei Ihnen als PDL melden, wenn ein Patient entsprechende Wünsche oder Bitten äußert oder wenn seitens der Pflegekraft ein Bedarf gesehen wird.
- Vereinbaren Sie mit den Mitarbeiter/innen aber auch, dass mit diesen neuen Vereinbarungen keine versteckten Leistungen mehr erbracht werden und somit Zeitüberschreitungen der Tourenplanung nur noch im Einzelfall und bei besonders begründetem Sachverhalt (z.B. Kollaps des Patienten während der Pflege, Benachrichtigung und Warten auf den Notarzt) als Arbeitszeit anerkannt werden.
- Überprüfen Sie diese neuen Vereinbarungen und Regelungen nach 3 Monaten.
- Freuen Sie sich als PDL, 1) da Ihre Planungen entsprechend anerkannt werden und nicht zu ständigen Diskussionen mit Mitarbeiter/innen führen, 2) weil Sie mehr Umsatz bei gleichem Zeitaufwand erzielen oder 3) weil Sie freie Zeitkapazitäten bei Mitarbeiter/innen erreichen, die Sie für die Versorgung neuer Patienten einsetzen können.
Wie können so ein Privatzahlerkatalog oder Service-Angebote aussehen?
Unsere Privatleistungen, weil Sie es sich wert sind
z.B. für §37.3 Kunden:
z.B. für Patienten:
Ein sinnvoller Veränderungs- und Umsetzungsprozess, der in der Regel ca. drei Monate dauert, aber insgesamt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter und verschiedener Faktoren und Situationen in der ambulanten Pflege führt.