Die Anzahl der Tagespflegen in Deutschland ist von 4.455 Tagespflegen Ende 2017 auf 5.266 Tagespflegen Ende 2019 angestiegen*. Viele weitere sind im Jahr 2020 trotz Corona in Betrieb gegangen oder noch im Bau und werden 2021 oder 2022 eröffnet. 

Für Pflegebedürftige und deren Angehörige ist die Zunahme der Angebote gut und hilfreich. Für Tagespflegebetreiber ist diese Entwicklung differenzierter zu betrachten.

Tagespflegen sind gem. § 71 SGB XI selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die auf Dauer angelegt und wirtschaftlich betrieben werden. Dies ist von Ihnen als Betreiber u.a. im Strukturerhebungsbogen als auch im Versorgungsvertrag für die Tagespflege erklärt und unterschrieben worden. 
In der Vergangenheit konnten viele Tagespflegen eine hohe Belegung und eine gute Wirtschaftlichkeit vorweisen. Mit der Zunahme von weiteren Tagespflegen um 18,2 % innerhalb von 2 Jahren (2017 zu 2019) und der Erhöhung der Platzangebote von 66.484 auf 82.639 um 24,3 %* gibt es in einigen Regionen in Deutschland heute schon eine Marktsättigung an Tagespflegen und -plätzen. Damit ist und wird die Belegung und die stabile Wirtschaftlichkeit einer Tagespflege heute und in Zukunft schwieriger.

* Quelle: Pflegestatistik 2019. Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020.

Wie ist die Belegungsentwicklung in Ihrer Tagespflege?

Wie hoch ist die Ausfallquote von geplanten Tagespflege-Gästen?

Stimmen Ihr Personaleinsatz, Ihre Personal- und Sachkosten im Verhältnis zu den Erträgen?

Kennen Sie die (wirtschaftlichen) Stolpersteine für Tagespflegen – und wie Sie diese aus dem Weg räumen können?

Wie ist die Belegungsquote in Ihrer Tagespflege? Diese Thematik ist auch besonders mit COVID-19 in den letzten Monaten in vielerlei Hinsicht relevant geworden: a) Sie dürfen die Tagespflege nur mit einer bestimmten prozentualen Auslastung betreiben, b) in der Zeit, in der Sie schließen mussten, sind Gäste verstorben und/oder c) andere Gäste trauen sich noch nicht wieder in Ihre Tagespflege zurück. Ähnliches ist jedoch auch im Regelbetrieb im „Sommerloch“ festzustellen. Wie können Sie trotz dieser Unsicherheit Ihre Tagespflege wirtschaftlich planen? 

Die Wirtschaftlichkeit Ihrer Tagespflege hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderen auch von der Auslastung Ihrer Tagespflege und der aktiven Belegungsplanung, der belegungsangepassten Personalplanung, den Öffnungszeiten, den zusätzlich erbrachten Leistungen, dem kostendeckenden Fahrdienst, den geplanten und verwendeten Sach- und Investivkosten sowie von der regelmäßigen Pflegesatzverhandlung. 

Warum gibt es Tagespflegen mit positiven wirtschaftlichen Ergebnissen – und andere Tagespflegen, die defizitär sind? 

Eine Tagespflege ist kein wirtschaftlicher Selbstläufer. Gute Beratung und Akquise, entsprechendes Marketing, eine hohe Belegung, kostendeckende Pflegesätze etc., es gibt eine Reihe von wichtigen Faktoren, damit Ihre Tagespflege keine Defizite entwickeln. Sie können aber bestimmte Stolpersteine vermeiden oder umgehen, damit Ihre Tagespflege erfolgreich ist. 

Räumen wir in diesem Artikel gemeinsam die wichtigsten Stolpersteine aus dem Weg. 

Stolpersteine sind:

  1. Nicht stimmige Öffnungszeiten

Bei der Beantragung des Versorgungsvertrages Ihrer Tagespflege legen Sie im Konzept und Strukturerhebungsbogen die geplanten Öffnungszeiten fest. In der Vergütungsverhandlung des Pflegesatzes werden diese Öffnungszeiten für den Personalschlüssel hinzugezogen und in der Leistungs-, Qualitäts- und Vergütungsvereinbarung (LQV) schriftlich dokumentiert.

Ein Beispiel dazu: Sie haben für Ihre Tagespflege eine tägliche Öffnungszeit von 8.30 – 16.30 h vereinbart. 
Tatsächlich stehen aber die ersten Gäste aus der Nachbarschaft schon um 8.00 h vor dem Eingang und der Fahrdienst trifft mit weiteren Gästen um 8.10 h ein. Die letzten Gäste werden erst um 16.50 h von Angehörigen abgeholt.

Es entsteht somit ein zusätzlicher Personalaufwand von fast einer Stunde jeden Tag!, der durch eine examinierte Pflegefachkraft abgedeckt werden muss, da Sie sich laut Rahmenvertrag verpflichtet haben, während der Öffnungszeit/ Anwesenheitszeit der Gäste immer eine examinierte Pflegefachkraft vorhalten zu müssen.

Über das Jahr gesehen, sind dies ca. 1,5 Monate zusätzlicher Personalaufwand, den Sie nicht verhandelt haben.

Unser Tipp: Achten Sie daher auf die Übereinstimmung der Öffnungszeiten in Ihrem Konzept, dem Strukturerhebungsbogen, der Kalkulation der Vergütungsvereinbarung und der LQV mit Ihrer Praxis. Wenn Gäste erweiterte Öffnungszeiten wünschen und Sie dies umsetzen wollen, beantragen Sie diese Änderungen bei der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen und verhandeln Sie neue Pflegesätze.

  • Zu viele erbrachte Leistungen

Sie haben sich in den Vereinbarungen mit den Pflegekassen u.a. verpflichtet, den Gästen soziale Betreuung und pflegerische Hilfen, aber auch pro Tag drei Mahlzeiten und Getränke anzubieten.

Beispiele dazu: Ihr Gast möchte ein Glas Rotwein zum Mittagstisch? Oder die Organisation seiner Medikamente? Oder eine Sonderkost ohne medizinische Notwendigkeit, z.B. veganes Essen?

Die Beispiele beschreiben einen Mehraufwand für Sie, der nicht zu den „Normalleistungen“ einer Tagespflege gehört. Gerade das Ergebnis der Pflegesatzvereinbarung bei den Verpflegungskosten gibt Ihnen häufig wenig Spielraum und verlangt eine strenge Kalkulation der Lebensmittelkosten. Und auch administrative Tätigkeiten für die Gäste summieren sich schnell zu einem nicht im Pflegesatz kalkulierten, aber zusätzlichen Personalaufwand mit den entsprechenden Kosten und Belastungen für Sie.

Unser Tipp: Veganes Essen, Rotwein zum Mittagessen etc. sind möglich und zulässig. Und können z.B. im Rahmen eines Privatzahlerkataloges abgerechnet werden. Dieser muss jedoch der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen vorab zur Kenntnis vorgelegt werden, da die Pflegekassen prüfen wollen, ob Sie für eigentlich vereinbarte Pflichtleistungen zusätzliche Entgelte nehmen wollen. Wir empfehlen als Anregung und Ideengeber für Sie den im Land Thüringen abgestimmten Zusatzleistungskatalog für Tagespflegen.

  • Fehlende belegungsangepasste Personalplanung 

Wieviel Personal und deren Qualifikation und Stundenumfang in einer Tagespflege z.B. bei einer kalkulierten Belegung von 85 oder 90% vorhanden sein sollte, ist im Ergebnisbogen der Verhandlungen mit den Pflegekassen festgehalten. 

Beispiel: Sie haben im zweiten Betriebsjahr (leider erst) eine Belegung von 60 %. 

Wenn Sie dann die gesamte verhandelte Personalstärke vorhalten, können die abgerechneten Erträge die Personal- und Sachkosten nicht decken. Sie müssen daher den Personaleinsatz an die Belegung anpassen. Denken Sie aber daran, dass während der Öffnungszeiten/ Anwesenheitszeiten der Gäste immer eine examinierte Pflegefachkraft anwesend sein muss. In einigen Bundesländern gibt es auch die Pflicht der ständigen Anwesenheit einer examinierten Pflegefachkraft und einer Pflegehelferin. 

Unsere Tipps:  Wenn die Tagespflege eine geringere Auslastung (als verhandelt) aufzeigt, so sollten Sie auch den Personaleinsatz anpassen. Erstellen Sie sich dafür eine Übersicht, wieviel Netto-Mitarbeiterstunden bei einer jeweils differenzierten Anzahl von Gästen geplant und eingesetzt werden dürfen. Kennen Sie auch die Möglichkeit, Arbeitsverträge gemäß § 12 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) mit einer Mindeststundenzahl und einem flexiblen Korridor bis 25 % abschließen zu können? Dies könnte Ihnen helfen, wenn Sie stark schwankende Belegungen in Ihrer Tagespflege haben.

4) keine aktive Belegungsplanung

Mit den Pflegekassen werden Pflegesätze auf der Basis einer gemeinsam abgestimmten Kalkulation von prospektiven Personal- und Sachkosten, einer angenommenen Pflegegradverteilung und einer kalkulierten Belegung vereinbart.

Diese Belegungsannahme variiert je nach Bundesland (z.B. Sachsen 80 %, Hessen 85 %, Schleswig-Holstein 90 % usw.) in Abhängigkeit auch davon, ob es in dem jeweiligen Bundesland eine Ausfallregelung für kurzfristige Absagen von Gästen gibt.

Beispiel: Sie haben für Ihre Tagespflege eine Belegung von 90 % kalkuliert, tatsächlich haben Sie aufgrund von Umzügen von Gästen ins Altenheim bzw. mehrerer Sterbefälle seit Wochen eine sinkende Belegungsquote von derzeit 70%.

Bieten Sie alleinstehenden Tagespflegegästen aktiv einen weiteren Tagespflegetag an? Sprechen Sie Angehörige von Tagespflegen mit Demenz bewusst an und empfehlen Sie Ihnen einen weiteren Entlastungstag? Wann waren Sie das letzte Mal in den Seniorentagesstätten und -treffs und haben dort von der Tagespflege erzählt? 
Eine Tagespflege ist selten ein „Selbstläufer“. Sie müssen aktiv werden und bleiben.

Unser Tipp: Ein Rückgang der Belegung muss einerseits zur „aktiven Akquise“ und zu Marketing-Aktivitäten und andererseits zu Anpassungen bei der Personaleinsatzplanung seitens der Leitung führen.

5) nicht kostendeckender Fahrdienst

Zu den Leistungen der Tagespflege gehört die Organisation eines Fahrdienstes für die Tagespflegegäste, wenn diese nicht selbst kommen oder gebracht werden können. Tagespflegen betreiben daher selbst einen Fahrdienst oder kooperieren mit einem Taxi- und Mietwagenunternehmen. 

Vorteile für einen eigenen Fahrdienst sind: a) Eigene Steuerung des Fahrdienstes und der  Ankunfts- und Abfahrtszeiten, b) Einbindung der Fahrer in den Tagesablauf der Tagespflege, Dienst- und Fachaufsicht über die Fahrer, c) Nutzung der KFZ für weitere Angebote z.B. als ambulanter oder stationärer Träger, d) Nutzung der KFZ als Werbemittel für die Tagespflege und die Angebote des Trägers, e) Keine Abhängigkeit von Fremddienstleistern.

Hingegen sind Vorteile für eine Vergabe des Fahrdienstes: a) Keine eigene Personalplanung und Urlaubs- und Krankheitsvertretung für den Fahrdienst notwendig, b) kalkulierbare Kosten durch vertragliche Vereinbarung mit dem Fremddienstleister, keine Investitionskosten für die KFZ, c) kein laufender Arbeitsaufwand bei Unfall, Reparatur etc.

Egal, welche Lösung Sie für Ihre Tagespflege treffen: Wenn die Kosten für den Fahrdienst höher sind als Ihre verhandelte Fahrtkostenpauschale oder Einzelkilometererstattung, so haben Sie ein ständiges Problem und Defizit in diesem Teilbereich der Tagespflege.

Unser Tipp: Achten Sie im Rechnungswesen oder beim Steuerberater auf eine richtige Erfassung der Erträge und Aufwendungen des Fahrdienstes und prüfen Sie mehrmals jährlich, spätestens aber in Vorbereitung auf Ihre Pflegesatzverhandlung die Kostendeckung Ihres Fahrdienstes. Weitere Prüfkriterien sollten die effektive Tourenplanung und der Personaleinsatz der Fahrer sein. 

6) höhere Lebensmittelkosten als verhandelt

Sie verhandeln die voraussichtlichen (prospektiven) Kosten für die Lebensmittel in der Pflegesatzverhandlung. Aus Ihrem Konzept wird ersichtlich, ob Sie selbst kochen (z.B. „Wir kochen Bio und Regional“), Tiefkühlessen nutzen oder einen Lieferdienst beauftragen. Lebensmittelkosten stellen unter den Sachkosten eine große Summe dar. Das bedeutet, dass Sie einen regelmäßigen Abgleich der verhandelten und der tatsächlichen Lebensmittelkosten durchführen sollten.

Unser Tipp: Teilen Sie alle zwei Monate die Summe der Lebensmittelkosten durch die Belegungstage und vergleichen Sie diese Zahl mit dem im Pflegesatz ausgehandelten Lebensmittelbetrag pro Belegungstag. 

7) nicht refinanzierte Investitionskosten

Je nach Bundesland werden i.d.R. mit dem Sozialhilfeträger die Investitionskosten der Tagespflege (Kreditkosten oder Kaltmiete, Abschreibung des Inventars etc.) festgestellt und berechnet, der als Investitionssatz pro Belegungstag beschieden wird. In einigen Bundesländern werden die Investitionskosten vom Sozialhilfeträger, in anderen Bundesländern teils-teils und in weiteren Bundesländern nur von den Tagespflegegästen neben dem Pflegesatz und der Kosten für Unterkunft und Verpflegung refinanziert.

Eine Abweichung der Erstattung der Investitionsaufwendungen vom SOLL entsteht häufig bei einer niedrigeren Belegung als geplant und ist auch im ersten Betriebsjahr, dem „verflixten ersten Jahr“ üblich. Hier kann an der Höhe der Investitionen i.d.R. nichts verändert werden, eine Verbesserung der Refinanzierung erfolgt nur durch eine höhere Belegung.

Unser Tipp: Achten Sie vor Inbetriebnahme auf eine für Tagespflegen übliche Investitionssumme beim Inventar und der Kaltmiete/ Baukosten. Im späteren Betrieb können Sie höhere Kosten als refinanzierte Erstattungen nur durch eine bessere Belegungsquote verringern. 

8) Keine Covid-19 bedingten Mehraufwendungen oder Minderbelegungen abgerechnet

Sie haben in der Tagespflege im Frühjahr 2020 für einige Wochen eine Schließungsanordnung erhalten. Einige Zeit später konnten Sie im Rahmen Ihres erstellten Hygienekonzeptes eine Wiedereröffnung und Teilbelegung ermöglichen. Mehrkosten für Pflegeschutzkleidung etc. sind entstanden. Sie haben ab November 2020 zusätzliche Aufwendungen für Schnelltestkonzepte und deren Umsetzungen. Personal ist zwischenzeitlich in andere Pflegebereiche eingesetzt oder es ist Kurzarbeit beantragt worden.
Die Buchhaltung und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der letzten Monate sind eigentlich im Vergleich zur Vor-Covid-19-Zeit nur bedingt aussagekräftig.

Durch behördliche Verfügungen sind die Mindererträge aufgrund von Platzzahlreduzierungen oder Teilschließungen nicht gering. Ihre zusätzlichen Mehraufwendungen sind nicht nur „Peanuts“.

Unser Tipp: Halten Sie alle Covid-19 bedingten Minderbelegungen oder Mehraufwendungen separat fest und rechnen Sie diese gem. der jeweils in Ihrem Bundesland gültigen Richtlinien ab. Denken Sie auch an die Investitionskostenberechnung.

9) Keine jährlichen Pflegesatzverhandlungen

Egal ob Sie gerade eine neue Tagespflege eröffnet haben oder schon mehrere Jahre in Betrieb sind: Die Pflegesatzverhandlung sollte jährlich durchgeführt werden und ist maßgeblich für die wirtschaftliche Situation und Entwicklung Ihrer Tagespflege. 

Die Vergütungsvereinbarung als Ergebnis der Pflegesatzverhandlung ist das Fundament für eine wirtschaftliche Basis der Tagespflege. Die Vergütungsvereinbarung wird i.d.R. für 12 Monate abgeschlossen (und läuft solange weiter, bis der Tagespflege-Betreiber die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen zu einer neuen Vergütungsverhandlung auffordert). Da Sie in der Regel jährliche Personalkostensteigerungen durch Tarifverhandlungen oder Ihren Haustarif haben und auch die Sachkosten steigen, würden sich ohne regelmäßige Pflegesatzverhandlungen schleichend Defizite entwickeln und Sie in eine wirtschaftliche Schieflage kommen.

Keine jährliche Pflegesatzverhandlung bedeutet, die Zukunft Ihrer Tagespflege zu belasten.