So zufrieden wie nie?

Wie aus der neuen Studie über die Zufriedenheit der Deutschen, dem sogenannten „Glücksatlas 2019“ der Deutschen Post zu entnehmen ist, sind die Deutschen dank einer guten Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklung so zufrieden mit ihrer persönlichen Situation wie nie.

Der Lebenszufriedenheitsindex stieg auf einer Skala von 0 – 10 auf 7.14 Punkte und erreicht damit einen Höchststand. Im Osten Deutschland ist das Glücksempfinden sogar etwas stärker als im Westen.

Die glücklichsten Deutschen leben in Schleswig-Holstein. Schlusslicht sind Menschen in Brandenburg.
Als besonderer Schwerpunkt wurde die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit auf das Glücksempfinden von Menschen im Arbeits- und Privatleben gestellt. Das Arbeiten in gemischten Teams haben 2/3 der Befragten als positiv auf die Zufriedenheit im Job benannt.

Soweit einige Auszüge aus dem „Glücksatlas 2019“.

Und was bedeutet dies für die über 390.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ambulanten Pflege? Ist auch dort eine gute Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklung festzustellen?

Ich finde, für die ambulante Pflege muss dies differenzierter betrachtet werden.

Tatsächlich hat in den letzten zwei Jahren in vielen Pflege- und Betreuungsdiensten die Mitarbeiterschaft von Gehaltssteigerungen profitiert. Die Gehaltsniveaus für examinierte Pflegefachkräfte, Pflege- und Betreuungskräfte sind gestiegen, regional in Deutschland aber verschieden ausgeprägt.

In einer Reihe von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten sind auch gehaltsergänzende Bestandteile wie die private Nutzung des Dienst-KFZ, Kinderbetreuungszuschuss, Zuschuss zur privaten Lebens- oder Unfallversicherung etc. hinzugekommen oder haben sich weiterentwickelt.

Ambulante Dienste haben sich als familienfreundliche Unternehmen zertifizieren lassen und bieten der Mitarbeiterschaft „Mütter-Touren“, „Dienst ab 8.00 h“, Kinderbetreuung in den Ferien etc. an.

Dies alles kann zur Verbesserung der Zufriedenheit beitragen.

Warum wollen aber so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter z.B. nur in Teilzeit arbeiten? Warum gibt es einen „Run“ auf eine Beschäftigung in Tagespflegen? Warum ist es schwierig, neue qualifizierte Pflegedienstleitungen zu finden? Warum schrieb vor einigen Tagen in der Facebook-Gruppe eine PDL: „Ich überlege, nach vielen Jahren Leitungsarbeit auszusteigen“?

Meine Wahrnehmung:

Einerseits haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen für die Mitarbeiterschaft in der ambulanten Pflege grundsätzlich vielfach verbessert.

Die Belastung in der Arbeit der ambulanten Pflegetouren, die Zunahme der Anfragen nach Pflege und Betreuung und die begrenzten Personalressourcen nagen jedoch an Mitarbeitern und Führungskräften. Und es gibt wenig Aussicht auf Änderung, da innerhalb den nächsten 15 Jahren ca. 30 % der Mitarbeiter in der ambulanten Pflege in Rente gehen (und nicht im gleichen Umfang neue qualifizierte Mitarbeiter auf den Arbeitsmarkt kommen).

Partieller, zeitlich befristeter Aufnahmestopp für neue Patienten ist in vielen Regionen heute schon leider Alltag. Für eine Mitarbeiterschaft, die Menschen helfen will, eine schwierig auszuhaltende Situation.

Die Reduzierung der Bürokratie in der ambulanten Pflege, eigentlich politisch gewollt, wird durch immer neue Bestimmungen und Belastungen nicht wirklich erreicht.

Meine Forderungen:

  • Die Refinanzierung der Kosten in der ambulanten Pflege muss durch die Kranken- und Pflegekassen und Sozialhilfeträger in allen Bundesländern gleichermaßen anerkannt und fair ermöglicht werden.
  • Jedes neue Gesetz, jeder neue Plan, ob Pflegekammer oder Qualitätsprüfverfahren, ob Abläufe in der kommenden Digitalisierung, sollte vorab! z.B. durch Modellprojekte geprüft werden, ob es dem Ziel der Vereinfachung oder Verbesserung dient.
  • Die stetige öffentliche Würdigung der Leistungen einer ganzen Berufsgruppe für das gesellschaftliche Wohl sollte Alltag werden.

So zufrieden wie nie? Ja, das gilt gemäß der Studie.
Für Mitarbeiter in der ambulanten Pflege ist dies aber differenzierter zu betrachten.

 

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