Aus CareKonkret 02-2017:

 Thema der Woche: Nachtpflege

Perspektiven liegen im Dunkeln

 

Als Bayerns Sozialministerin Melanie Huml (CSU) im letzten Jahr vor die Presse trat, überraschte sie mit einem Vorschlag, der ein oft vernachlässigtes Thema wieder auf die Agenda brachte. „In der Nachtpflege ist noch ein sehr großer Bedarf da“, stellte sie fest. Viele Demenzpatienten seien oft nachts wach und brächten die Pflegenden um den Schlaf. „Das zehrt sehr an den Kräften“, sagte Huml. Angebote, bei denen die Pflegebedürftigen zumindest unter der Woche nachts anderweitig versorgt werden, seien ein großer Gewinn für die pflegenden Angehörigen.

Zu diesem Thema und den nachstehenden Fragen von CareKonkret fand ein Gespräch mit mir statt:

  1. Ambulante oder teilstationärer Nachtpflege wird nur vereinzelt angeboten. Woran liegt das?

Gem. SGB XI benötigt eine Pflegeleistung die Rechtsgrundlage über einen Versorgungsvertrag und eine Vergütungsvereinbarung.

Nachtpflege finden wir in § 41 SGB XI:

Für ein solitäres Nachtpflegeangebot ist also ein Versorgungsvertrag zu schließen. Dies setzt voraus, dass Sie eine Nachtpflege konzipieren, die aus wirtschaftlichen Gründen ca. 20 Plätze benötigt. Und diese muss dann mit ca. 95 % im Jahresdurchschnitt belegt sein, damit Sie die Einrichtung auch betriebswirtschaftlich kostendeckend führen können.

Dies bedeutet, dass Sie eine größere Bevölkerungsgruppe benötigen, von denen einige dieses Angebot wünschen. Real ist mir nur eine Nachtpflege in Düsseldorf bekannt.

Eingestreute Nachtpflege:
Dies ist gem. Pflegeversicherungsgesetz eigentlich nicht vorgesehen.

Ich habe selbst in Werl in einer solitären Kurzzeitpflege vor Jahren mit den Landespflegekassen ein eingestreutes Nachtpflegeangebot konzipiert und angeboten:
Aufnahme am Abend, Abendessen, Betreuung über Nacht, Frühstück, Fahrt nach Hause.
Dafür haben wir einen Vergütungssatz definiert und mit den Landespflegekassen abgestimmt.

Tatsächlich wurde dieses Angebot aber nur sehr gering benötigt und angenommen.

In stationären Altenheimen könnte dieses Angebot relativ einfach umgesetzt werden, wenn die Landespflegekassen und die örtlich WTG Behörde dies genehmigen.
Aber wenn der Personalschlüssel für die Nachtbetreuung im Altenheim ungünstig ist, dann würden ein oder mehrere zusätzliche Nachtgäste die z.T. hoch anstrengende Arbeit der Nachtschwestern noch weiter belasten.

  1. Das bayerische Sozialministerium will jetzt entsprechende Nachtpflege-Angebote mit drei Millionen Euro im Jahr fördern. Ist das lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Wenn das Sozialministerium Projekte forcieren will, dann finde ich dies grundsätzlich gut, weil über neue Projekte manchmal neue Idee sich entwickeln und dann weiter verbreitern.

Eine inhaltliche Diskussion muss aber auch geführt werden:

Nachtpflege zielt auf Patienten, die einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus haben und sich als auch ihre Angehörigen massiv belasten.

Daher ist die Idee der Betreuung in der Nachtpflege und die Entlastung der Angehörigen grundsätzlich gut. Ein zurückkommen am Morgen in die Häuslichkeit setzt aber wieder voraus, dass dann auch Angehörige am Vormittag/ am Tage anwesend sind.

Nach meinem Wissen kann je nach Diagnose der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus medikamentös anders eingestellt werden, ohne dass ein „Dösen“ Tag und Nacht stattfindet.  Damit kann diese hohe Belastung für alle „verändert und reduziert“ werden.

  1. Rechnet sich Nachtpflege für einen ambulanten Pflegedienst überhaupt?

Es gibt in der ambulanten Pflege Touren, die schon bis in den späten Abend gehen. Und es gibt auch natürlich Nachteinsätze bei pflegerischen Notfällen, wo der Rettungswagen nicht benötigt wird.

Vereinzelt findet man auch Pflegedienste, die ein Nachtpflegeangebot anbieten. Wie und ob dies tatsächlich auch angenommen wird, ist mir nicht bekannt. Organisatorisch ist dies ein größerer Aufwand, weil entsprechend Mitarbeiter für diese Einsätze geplant werden müssen und nach einem Nachteinsatz arbeitsschutzrechtlich mind. 10 Stunden Unterbrechung bis zum nächsten Einsatz beachtet werden müssen.

Intensiv-Pflegedienste für Beatmungspatienten, die in 2 oder 3 Schicht-Systemen arbeiten, haben hier Vorteile aufgrund ihrer Dienstplanstruktur.

Insgesamt ist aber die Organisation und Finanzierung schwierig, weil die Kosten aus den Pflegesachleistungen finanziert werden müssen und es keinen separaten Topf wie z.B. in der Tagespflege gibt.

  1. Vereinzelt werden teilstationäre Nachtpflegeangebote aufgebaut. Wozu würden Sie beim Aufbau eines derartigen Angebots raten?

Vier Faktoren sollten beachtet werden:
a) Eine sehr gute Marktanalyse über den tatsächlichen Bedarf im Umfeld des ambulanten Dienstes/ der stationären Einrichtung.
b) Klärung mit der Mitarbeiterschaft über deren Wahrnehmungen und Ideen.
c) Eine gute Kalkulation des Angebotes ambulant/ stationär.
d) Verhandlung mit der WTG Behörde/ Heimaufsicht und den Landespflegekassen.