In unseren Workshops zu den Themen „Belegungssteigerung in der Tagespflege“ oder „Tagespflegen erfolgreich führen“ gibt es immer Leitungskräfte, die eine stabile hohe Belegung von über 90% und eine gute Wirtschaftlichkeit der Tagespflege mitteilen, andere zeitgleich die Problematik einer geringen Annahme und Belegung und somit auch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Gibt es Erklärungen für diese parallelen Entwicklungen?
Der Betrieb einer Tagespflege ist komplex, genauso wie im ambulanten oder stationären Bereich. Mit dieser Veröffentlichung, die in zwei Teile aufgebaut ist, wollen wir Grundlagen für einen erfolgreichen Tagespflegebetrieb erklären und mithelfen, dass Prozesse und Abläufe in der Tagespflege verbessert werden können.
Beginnen wir mit dem von uns entwickelten Analysemodell 4G für Tagespflegen:

Wir nutzen dies für Analyse- und Potentialberatungen, aber auch als visuelle Darstellung der einzelnen Bereiche einer Tagespflege und auch für Zielvereinbarungs-gespräche mit Tagespflegeleitungen.
Unsere Leitthese lautet: Tagespflegen sind dann erfolgreich, wenn sie gute Prozesse und Abläufe im
- Beratungsmanagement, im
- Personalmanagement, im
- Planungsmanagement und im
- Organisationsmanagement
aufweisen.
Diese vier Segmente beinhalten eine Reihe von Unterpunkten, die alle miteinander in Beziehung stehen. Eine Veränderung in einem Bereich führt zwangsläufig zu Veränderungen auch in anderen Segmenten.
Beginnen wir in diesem Teil 1 zunächst mit einem Unterpunkt aus dem Organisationsmanagement:
Sind die Vision und Ziele für die Tagespflege zwischen Geschäftsführung und Tagespflegeleitung geklärt? Ein Klärungsgespräch dazu und eine schriftliche Zusammenstellung machen Sinn. Wenn dies erfolgt ist, dann kann dafür ein „grüner Punkt“ vergeben werden.
Eine Vision steht für eine Leitidee, für das innere Bild einer Vorstellung, die meist in die Zukunft gerichtet ist. Für die inhaltliche und wirtschaftliche Entwicklung beschreibt sie die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens.
Die Vision einer Tagespflege könnte z.B. lauten: Gemeinsam mit Gästen und Angehörigen den Alltag gestalten und eine stabile Belegung erreichen.
Ziele einer Tagespflege konkretisieren die Vision und könnten z.B. lauten:
Geschäftsfeld: Wir betreuen und pflege Menschen, die einen Hilfe- und Betreuungsbedarf haben und zu Hause leben ergänzend in unserer Tagespflege.
Wir versorgen unsere Gäste in „Musterhausen“ und naher Umgebung.
Mitarbeiter/innen: Unser Ziel ist eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, geringe Fluktuation und eine starke Mitarbeiterbindung. Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein und wir achten auf ein generations- und lebensphasen-orientiertes Personalmanagement.
Kunden: Unser Ziel ist eine hohe Kundenzufriedenheit, die durch regelmäßige Umfragen und Visiten überprüft und bestätigt wird.
Qualität: Unser Ziel ist eine hohe Pflegequalität, die durch interne Audits, Pflegevisiten und Prüfung durch den Medizinischen Dienst, Heimaufsicht o.a. bestätigt wird.Wirtschaftlichkeit: Unser Ziel ist ein Überschuss von mind. 5 % jährlich, berechnet vom jährlichen Umsatz, um unternehmerische Risiken abdecken und dauerhaft unseren Auftrag erfüllen zu können.
Beispiel aus: Unternehmenshandbuch für Führungskräfte, 2024
Grundlage für eine gute Belegung und somit einer stabilen Wirtschaftlichkeit ist ein gutes Beratungsmanagement.
Leitfragen dafür sind:
- Wer berät mit welcher Beratungskompetenz
- Welche Arbeitshilfen sind vorhanden?
- Ist im Pflegevertrag die Möglichkeit des „flexiblen Tages“ mit vereinbart?
- Wie wird mit kurzfristigen Absagen umgegangen?
- Wenn auch ein ambulanter Pflegedienst mit im Unternehmen vorhanden ist:
- Wieviel Patienten ambulant sind auch Gäste in der Tagespflege?
- Wieviel § 37.3 Beratungskunden sind auch Gäste in der Tagespflege?
- Wenn die Tagespflege von einem stationären Heim betrieben wird: Wieviel Kurzzeitpflegegäste werden nach Rückkehr in die Häuslichkeit neue Tagespflegegäste?
Tagespflegen sind in Deutschland ein wichtiges Angebot gegen Vereinsamung für alleinstehende ältere, pflegebedürftigen Menschen und eine hilfreiche Entlastung für pflegende Angehörige.
Die Beratung für die Tagespflege erfolgt primär in der eigenen ambulanten Pflege (jeder Pflegebedürftige, jeder § 37.3 Beratungskunde) und in der eigenen stationären Pflege (jeder Pflegebedürftige in der Kurzzeitpflege, der wieder nach Hause zurückkehrt).
Daher müssen die Leitungs- und Beratungskräfte in diesen Einrichtungsteilen von der Tagespflege „erzählen“ können. Dies wird umso einfacher, je mehr die Tagespflege z.B. durch eine Hospitation selbst erlebt wurde.
An benötigten „Arbeitshilfen“ sind sinnvoll und hilfreich:Ein aktueller Flyer mit aussagekräftigen Fotos (Frauen und Männer in der Tagespflege im Alltagsgeschehen), dazu reicht wenig Text (z.B. ein Ablauf eines Tages vom Abholen über das leckere Mittagessen bis hin zur Rückkehr)
Ein ähnlich aufgebauter Schnuppergutschein als „Geschenk“ in den Beratungen
3-4 interessante Geschichten aus dem Alltag der Tagespflege, die spontan und interessant erzählt werden können
Eine emotionalisierte Sprache (nicht „es gibt Frühstück, Betreuung, Mittagessen“, sondern z.B. „bei uns fängt der Tag mit einem leckeren Frühstück mit selbstgemachter Marmelade an. Nach dem Zeitungslesen gehen wir häufig in den schönen Garten mit den vielen Blumen und Stauden. Zum Mittagessen kochen wir aus unserem Lieblingsrezeptebuch…“
Ein Fotobuch mit Fotos aus dem Alltag der Tagespflege, das nach der Tagesstruktur aufgebaut und erstellt ist.
Im Pflegevertrag sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten und Vereinbarungen zusammengefasst.
Dort ist i.d.R. auch vereinbart, an welchem Tag ein Gast in die Tagespflege kommt. Dies sieht häufig bei einer Tagespflege, die an fünf Tagen geöffnet hat, wie folgt aus (Beispiel):
- Montag (Ankreuzen)
- Dienstag
- Mittwoch
- Donnerstag
- Freitag
Und wenn nun ein Gast, der immer am Montag kommt, gerne in der nächsten Woche ausnahmsweise einen zusätzlichen Tag kommen möchte, weil seine Angehörige zum Beispiel am Donnerstag verhindert ist? Dann müssen Sie formell eine neue schriftliche Vereinbarung treffen.
Oder wenn Sie als Leitung jetzt gerade eine Absage von einem Gast für den morgigen Tag erhalten haben, aber wissen, dass ein anderer Gast, der heute anwesend ist, auch gerne mal einen weiteren Tag kommen möchte und dieser den gerade freigewordenen Platz am nächsten Tag besetzen könnte?
Dann müssen Sie nach Ihrer Frage bei ihm und seiner Zustimmung, morgen kommen zu wollen, eine neue schriftliche Vereinbarung für den morgigen Tag treffen.
Erleichtern Sie sich Ihre Beratungs- und Verwaltungsarbeit, in dem Sie im Pflege- und Betreuungsvertrag eine weitere Zeile aufnehmen:
- und flexibel nach gemeinsamer Absprache (Ankreuzen)
Grundlage für eine gute Belegung und somit einer stabilen Wirtschaftlichkeit ist ein gutes Personalmanagement.
Ohne Mitarbeiter/innen können Gäste nicht begleitet werden. Und ohne engagierte und passende Mitarbeiter/innen fühlen sich Gäste eher unwohl und zeigen dies durch häufige Absagen oder Kündigungen der Verträge.
Wir haben heute einen Arbeitnehmer-Markt. Dies bedeutet, dass sich viele Pflegeeinrichtungen um die wenigen Pflege- und Betreuungskräfte bemühen müssen. Richtiger ist eigentlich die Aussage: Das Pflegeunternehmen bewirbt sich beim „Bewerber“.
Sind Sie darauf schon richtig vorbereitet?
Da durch das „Tariftreuegesetz“ zum 01.09.2022 die Vergütungen relativ angeglichen sind, spielt das Thema Vergütungsunterschiede keine große Rolle mehr. Umso wichtiger ist das Führungsverhalten und ob der Träger der Tagespflege als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird.
Dazu helfen auch eine differenzierte generations- und lebensphasenorientierte Wahrnehmung und Führung der einzelnen Mitarbeiter/innen, die heute, anders als in der Vergangenheit, eine größere Rolle spielt. „Junge Mitarbeiter/innen der Generation Y und Z sind nicht engagiert“, hören wir häufig als Aussage von älteren Leitungskräften. Das ist in der Allgemeinheit nicht richtig. Junge Menschen sind engagiert (Beispiel Umweltschutz, Friday für Future etc.), nur anders als früher. Das Führungsverhalten muss sich verändern: Die „Situative Führung“ ist eine zeitgemäße Lösung. „Führen durch Anordnung“ ist abgelöst durch „Führen über Einsicht“ und „Führen über Sinn erkennen“.
Mehr dazu finden Sie im Fachbuch „erfolgreich führen und leiten“. Peter Wawrik und Karla Kämmer, Vincenz Network, Hannover
Welche Arbeitshilfen haben Sie zur Gewinnung und zum Halten geeigneter Mitarbeiter/innen?
Eine einfache, aber wirkungsvolle Hilfe ist ein Image-Flyer für Ihre Mitarbeiterschaft. Dort werden alle Angebote aufgelistet, wofür das Pflegeunternehmen steht und anbietet. Natürlich Aussagen zum Gehalt (z.B. „TVöD Anlehnung“ oder „Regionales Entgelt“, Wochenarbeitszeitmodelle, Urlaubstage im Jahr. Aber vielleicht auch die zusätzliche Kranken- oder Unfallversicherung, die Ihr Pflegeunternehmen allen Mitarbeiter/innen anbietet. Oder ein E-Bike Leasing. Oder, oder …
Was sind Ihre Sahnehäubchen, Ihre Besonderheiten?
Stellen Sie dies alles in einer optisch ansprechenden Form z.B. auf einer DIN A4 Seite zusammen und nutzen Sie dies
- Als Information für alle bestehenden Mitarbeiter/innen in der nächsten Dienstbesprechung und für die Dienstfächer
- Als Information für „Bewerber“, in dem Sie diese Übersicht als PDF bei der Termineinladung zum „Vorstellungsgespräch“ mit zurückmailen.
- Als Information zum Download auf Ihrer Homepage
- Als Informationsblatt an Ihrem Schreibtisch, wenn sich jemand telefonisch bei Ihnen „bewirbt“. Sie haben dadurch im Telefonat mehr eigene Sicherheit und können Informationen als „attraktiver Arbeitgeber“ einfacher mitteilen.
Untersuchungen haben ergeben, dass Führungskräfte glauben, ihre Mitarbeiter/innen müssten die Angebote und Unterstützungs-möglichkeiten des Arbeitgebers doch wissen. Die Realität ist aber eine andere. Glauben Sie nicht? Machen Sie doch in Einzelgesprächen oder im Team mal den Test: „Lass uns mal aufzählen, was unser Arbeitgeber uns anbietet“.
Und Sie werden merken, dass – je nach Mitarbeiter/in – verschiedene Faktoren wichtig sind.
In größeren Pflegeunternehmen gibt es dafür häufig auch Arbeitskreise „Mitarbeiter/innen mit jungen Familien“ und „Mitarbeiter/innen über 55 Jahre“, die ihre spezifischen Fragen und Themen einbringen können und zusammen mit der Geschäftsführung Lösungen suchen.
Grundlage für eine gute Belegung und somit einer stabilen Wirtschaftlichkeit ist ein gutes Planungsmanagement.
Dazu gehören die Dienst-, Urlaubs- und Tourenplanung.
Die Dienstplanung in der Tagespflege ist eigentlich einfach und kann z.B. im Rahmen einer Dienstbesprechung geklärt werden. Zur Dienstplanung gehört auch eine frühzeitige Urlaubsabsprache und betriebliche Regeln dazu.
Ein Muster für Urlaubsregelungen im Pflegeunternehmen finden Sie als Download zu diesem Text.
Quelle: Unternehmenshandbuch für Führungskräfte.
Die Tourenplanung betrifft den Fahrdienst. Ob er selbst durchgeführt wird oder fremd vergeben ist, mit den Fahrerträgen müssen die Personalkosten der Fahrer und die KFZ-Kosten finanziert werden. Daher ist eine wirtschaftliche Tourenplanung mit möglichst kurzen Wegen zwischen den Gästen wichtig. Vielfach werden Gäste mit Bullis oder größeren KFZ mit mehreren Sitzplätzen und Rollstuhlplätzen abgeholt. Das die KFZ möglichst auf einer Tour mehrere Gäste abholen sollten, ist sicherlich nachvollziehbar.
Je nach Bundesland soll ein Gast pro Fahrt nicht länger als 45 Minuten im KFZ sitzen. Daraus folgt auch ein Radius von max. 5-10 km im Städtischen Bereich und von max. 15-20 km im ländlichen Bereich um die Tagespflege herum. Anfragen von Gästen aus weiterer Entfernung führen häufig zu längeren Transportzeiten und eher unwirtschaftlichen Fahrten.
In Teil 2 beschreiben wir, wie Prozesse im Organisationsmanagement analysiert und verbessert werden können.
Unser Tipp zum Beratungsmanagement:
Fragen Sie die potenziellen Gäste nicht, wann sie kommen möchten. Bieten Sie einen Tag an. Warum? Sie wissen, welche Gäste an welchen Tagen kommen und können daher eher einschätzen, an welchem Tag sich ein potenzieller Gast möglicherweise wohlfühlt und Kontakte mit anderen aufnehmen kann.
Unser Tipp zum Personalmanagement:Erstellen Sie einen Imageflyer und schreiben Sie auch Ihre Besonderheiten, Ihre „Sahnehäubchen“ mit auf. Es „gewinnt“ nicht der den Wettbewerb um Fachkräfte, der am meisten Angebote auflistet, sondern eher derjenige, der für die Lebenssituationen der Mitarbeiter/innen entsprechende Hilfen ermöglicht. Warum Teilzeitkräften in der Tagespflege nicht anbieten, das Mittagessen für die Kinder mit nach Hause nehmen zu können? Es ist nur eine unternehmerische und steuerrechtliche Frage, die zu klären ist.