Zu viel gezahlt? Zu wenig gefordert? 
Was ist ein Pflegedienst in der heutigen Zeit wert?

Die Bewertung von Pflegediensten in Corona-Zeiten

Gibt es Gründe, weshalb durch die Corona-Pandemie der Wert eines Pflegedienst wesentlich beeinflusst wird? 

Nein, es gibt keine wesentlichen Aspekte, die den Wert eines Pflegedienstes durch die Corona-Pandemie verändern. Ambulante Pflege ist absolut systemrelevant. Selbst wenn durch vieles Testen zusätzlich zum vorhandenen Personalmangel weitere Versorgungsengpässe entstehen, wirkt sich dies nicht grundsätzlich auf die Bewertung eines Pflegedienstes aus. Die meisten Pflegedienste konnten den kurzzeitigen Umsatzrückgang im März/April 2020 wieder auffangen und sogar häufig den Umsatz steigern.

Dieses paradox wirkende Phänomen bei ambulanten Pflegediensten steht im Gegensatz zu anderen sehr gebeutelten Wirtschaftsbranchen.

Wie errechnet man einen richtigen Preis?

14.688 ambulante Pflege- und Betreuungsdienste gab es am 15.12.2019 in Deutschland (Quelle: Pflegestatistik 2019; Statistisches Bundesamt 2020). Inzwischen dürften es fast 15.000 sein.

Ca. 3.000 – 4.000 Pflegedienste davon werden von Inhaber/innen geführt, die Anfang der 1990er Jahre den Pflegedienst gegründet haben und nun alters- oder gesundheitsbedingt das Pflegeunternehmen abgeben wollen oder müssen.

Für Inhaber/innen, die durch den Verkauf ihre eigene Altersabsicherung geplant haben, stellt sich die Frage, was sie für ihren Pflegedienst fordern sollen. Potenzielle Käufer/innen müssen sich mit der Thematik beschäftigen, wie viel sie zahlen wollen/können, damit sich ihr wirtschaftliches Engagement auch zu einem absehbaren Zeitpunkt rentiert.

Bei Beratungen oder Bewertungsgesprächen in den letzten Monaten haben wir eine Reihe von Aussagen gehört. Hier vier Beispiele:

  • „Unser Pflegedienst macht 1 Mio. € Umsatz im Jahr. Dies soll dann auch der Verkaufspreis sein“.
  • „Der Pflegedienst macht 1 Mio. € Umsatz im Jahr und hatte im Durchschnitt der letzten Jahre einen Überschuss oder Gewinn in Höhe von 180.000 €. Wir kalkulieren mit dem Faktor 4,0. Der Kaufpreis wäre somit 720.000 €.“
  • „Der Pflegedienst hat in den letzten drei Jahren jeweils sein Ergebnis verbessert also gesteigert. Wir nehmen daher nur das letzte Jahr zur Berechnung und verwenden dann den Faktor“.
  • „Wir hatten eine gute Stabilität im Verlauf der letzten Jahre, auch bei den Ergebnissen. Und dann kam Corona. Ein guter Grund für uns, baldmöglichst zu verkaufen. Wie berechnen wir jetzt, unter diesen Bedingungen den Wert des Pflegedienstes?“

Sehen wir uns die Beispiele einmal genauer an.

  • „Unser Pflegedienst macht 1 Mio. € Umsatz im Jahr. Dies soll dann auch der Verkaufspreis sein“. 

Der Umsatz pro Jahr gibt keine Erkenntnis über den Wert des Pflegedienstes, da das Betriebsergebnis – 20.000 €, + 50.000 € oder + 180.000 €, also im Minus- oder im Plusbereich sein kann. 

  • „Der Pflegedienst macht 1 Mio. € Umsatz im Jahr und hatte im Durchschnitt der letzten Jahre einen Überschuss oder Gewinn in Höhe von 180.000 €. Wir kalkulieren mit dem Faktor 4,0. Der Kaufpreis wäre somit 720.000 €.“ 

Wichtig ist zuerst, festzustellen: Ist der Überschuss vor oder nach der Privat-Entnahme des Inhabers berechnet? Wenn dieser z.B. 90.000 € als fiktives Jahresgehalt ansetzt, dann wäre der Überschuss rechnerisch nur noch 90.000 € hoch und ein theoretischer Kaufpreis mit Faktor 4 würde dann 360.000 € betragen.

Des Weiteren wäre zu fragen: Woher kommt dieser Faktor 2,5 bis 4,0, der scheinbar so oft verwendet wird? Wer behauptet, dass diese unterschiedlichen Faktoren angemessen sind? Diese Faktoren sind nicht belastbar. Man macht es sich mit einer solchen Methode zu leicht.

  • „Der Pflegedienst hat in den letzten drei Jahren jeweils sein Ergebnis verbessert also gesteigert. Wir nehmen daher nur das letzte Jahr zur Berechnung und verwenden dann den Faktor“. 

Ein Inhaber hat z. B. im Rahmen seiner Verkaufsplanung in den letzten drei Jahren die Gehälter nicht erhöht, bei den Sachkosten gespart und keine neuen Investitionen getätigt, um insgesamt das Ergebnis zu verbessern. Im Rahmen der Übernahme eines Pflegedienstes ist für den Käufer eines klar: Die Personal- und Sachkosten werden steigen und die Betriebsergebnisse sinken. Dies muss somit in der Wertermittlung berücksichtigt und einbezogen werden. 

  • „Wir hatten eine gute Stabilität im Verlauf der letzten Jahre, auch bei den Ergebnissen. Und dann kam Corona. Ein guter Grund für uns, baldmöglichst zu verkaufen. Wie berechnen wir jetzt, unter diesen Bedingungen den Wert des Pflegedienstes?“ 

Wie berechnen wir den Wert des Pflegedienstes jetzt?“ Im Jahr 2020 gab es kurzzeitig Mindereinnahmen und Mehraufwendungen und zum Teil große Veränderungen gegenüber den Vormonaten. Das Problem für den Inhaber und ggf. für einen Steuerberater ist es, wie dies alles in die betriebswirtschaftlichen Auswertungen eingebucht werden kann, um wie trotzdem eine plausible wirtschaftliche Entwicklung des Pflegedienstes dargestellt werden kann? Absehbar ist aus unserer Einschätzung, dass der Lockdown auch in den nächsten Wochen keine merklichen Auswirkungen auf die Umsätze und auch nicht auf den Wert von Pflegediensten haben werden. Pflegedienste haben sich zum Teil schon an die „neue Normalität“ von Lockdowns und die Beeinträchtigungen gewöhnt. 

Spezielle Faktoren zur Bewertung eines Pflegedienstes 

In allen Beispielen wird deutlich, dass der Wert eines Pflegedienstes von einer Reihe von Faktoren abhängig ist und dass die Berechnung je nach Sichtweise zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann. 
Daher gibt es derzeit auch keine wissenschaftlich anerkannte allgemeingültige Methode, den Wert eines Pflegedienstes zu berechnen. 

Mit dem Discounted Cashflow-Verfahren, dem Substanzwertverfahren, dem Ertragswertverfahren, dem Stuttgarter Verfahren, usw. lassen sich der Wert eines ambulanten Pflege- und Betreuungsdienstes nur schwer feststellen, weil hier jeweils nur Teilbereiche von Erfolgsfaktoren abgebildet werden, insbesondere der finanzielle Teil, der sich jedoch unter einem neuen Betreiber ganz anders darstellen kann. 

Zudem werden bei gängigen Methoden, die für andere Branchen relevant sein mögen, „weiche Faktoren“ komplett außer Acht gelassen. Diese sind jedoch für den Erfolg eines Pflegedienstes von großer Bedeutung. Die weichen Faktoren zu entdecken und diese ebenfalls zu bewerten, bedarf der Expertise von Fachleuten und Gutachtern, welche dies mit entsprechender Erfahrung einschätzen können.

Sind folgende Faktoren für Sie relevant, wertsteigernd oder wertmindernd?

  • Wie verändert sich die Stabilität von monatlichen Ergebnissen, wenn die hochkompetente und seit Jahren im Dienst tätige Pflegedienstleitung zusammen mit dem Inhaber zusammen ausscheidet? 
  • Wie verändern sich die monatlichen Ergebnisse, wenn durch den neuen Inhaber neue Strukturen und Anordnungen vorgegeben werden und dies mit den Mitarbeitern nicht entsprechend positiv und erklärend kommuniziert wird?
  • Was bedeutet es, wenn der übernommene Pflegedienst eine neue Software einführen „muss“, im schlimmsten Fall sogar eine „schlechtere“ als er bisher hatte?
  • Was bedeutet es für die Bewertung, wenn der Pflegedienst in der Vergangenheit über längere Zeit eine hohe Personalfluktuation hatte?

Wir möchten mit folgender Checkliste zur Lösung beitragen, um die anschließende Planung der Perspektiven zu erleichtern:

  1. Es gibt keine gute oder schlechte Zeit, einen Pflegedienst zu verkaufen oder zu kaufen. Corona hat für und auf den Prozess und den Wert keinen wesentlichen Einfluss.
  2. Reine bankmathematische oder betriebswirtschaftliche Berechnungsmethoden sind nur ein Teil der Wertermittlung für einen ambulanten Pflege- und Betreuungsdienst.
  3. Eine Wertermittlung ist komplex und beinhaltet harte (wirtschaftliche) Faktoren und weiche (Leitung, Mitarbeiterstruktur, Führungsstil, Konzept, Qualitätsmanagement, Anpassung der beiden Unternehmenskulturen usw.).
  4. Ein Verkaufs-/ Kaufprozess dauert in der Regel ca. 6-9 Monate.
  5. Vor der Übernahme sind vom Käufer die nächsten 3-6 Monate nach Übernahmetermin vorausschauend und gut zu planen.
  6. Die Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer gegenüber der Pflegedienstleitung, den Mitarbeitern und den Patienten und der Öffentlichkeit muss abgestimmt sein.

Letztendlich gilt aber: Die Bewertung eines Pflegedienstes durch Gutachter oder Dritte hilft, eine transparentere Bewertung und Wertermittlung zu erhalten. Der ausgehandelte Verkaufspreis ist zum Schluss eine „gute“ Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer, wenn beide Seiten mit einem „guten Gefühl“ abschließen.

Dieser Artikel wurde von von Sießegger + Wawrik Management GmbH geschrieben und veröffentlicht. Weitere Informationen unter: https://sw-management.de

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