„In den letzten Monaten sind viele Patienten verloren gegangen.“ „Patienten haben weniger Betreuungsleistungen nachgefragt.“ „Wir erhalten aktuell neue Patienten, die aber weniger Leistungen wünschen.“ „Unsere betriebswirtschaftlichen Zahlen haben sich in der Corona-Zeit deutlich verändert.“

Diese und ähnliche Aussagen als Beschreibung der Realität der letzten Monate kennen viele Pflege- und Betreuungsdienste. Nun geht es für das Management und die Führungskräfte darum, die richtigen Weichen für die „neue Normalität“ und die nächsten Monate zu stellen.

Was ist derzeitige Realität:

  • Ein großer Teil der ambulanten Patienten und deren Angehörige und der Mitarbeiterschaft in der ambulanten Pflege ist inzwischen vollständig geimpft
  • Viele alleinstehende Patienten haben die letzten Monate ihre Einsamkeit noch stärker erlebt
  • Viele Angehörige sind von der häuslichen Pflege erschöpft 

Aber auch:

  • In den letzten Monaten sind keine Dienstbesprechungen durchgeführt worden oder (nur) in veränderter digitaler Weise 
  • Fortbildungen wurden ausgesetzt oder fanden in verkürzter Form statt

Für alle Menschen nicht zu unterschätzen ist der psychologische Faktor aus der Corona-Zeit, Kontakte zu vermeiden (und dem Pflegedienst abzusagen), um sich und andere zu schützen. Dies hält auch nach der dritten Pandemiewelle weiter an und wird mit dem Begriff „Coronafolge Cave-Syndrom“ bezeichnet. 

Nachdem im Sommer 2021 eine hohe Impfquote in der Gesellschaft erreicht ist und die Inzidenzwerte im einstelligen Bereich sich befinden, müssen Patienten, Angehörige, Mitarbeiter etc. zum Teil wieder lernen, dass auch gemeinsames Treffen mit anderen unter Beachtung bestimmter Regeln eine „neue Normalität“ sein kann.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Pflege- und Betreuungsdienste?

Gegenüber bestehenden Patienten und deren Angehörige ist die aktive Beratung ein „Muss“ in den nächsten Wochen.

Besuche der Patienten und deren Angehörige, Pflegevisiten und Beratungsbesuche nach § 37.3 SGB XI und Folgeberatungen sollten für die nächsten Monate strategisch geplant und unverzüglich begonnen werden. Dabei gilt, Ängste aus den vergangenen Monaten abzubauen und die Entlastungsmöglichkeiten durch die ambulante Pflege in den Vordergrund zu stellen. Möglicherweise kann eine stundenweise Verhinderungspflege gegen die Vereinsamung helfen? Oder ein Tag in der Tagespflege? Kann Hausnotruf eine ergänzende Sicherheit bieten? Vielleicht können Leistungen aus dem Privatzahlerkatalog noch eine sinnvolle Hilfe sein? Die Kennzahl „Umsatz pro Patient pro Monat“ sollte sich im Ergebnis vom Frühjahr bis zum Winter 2021 erhöhen.

Neue Patienten sollten nur unter gewissen Kriterien aufgenommen werden: Bestehender Impfschutz, vorhandene Personalkapazität, mögliche und sinnvolle Einbindung in die effektive Tourenplanung, wirtschaftlicher Deckungsbeitrag. Auch hier ist die aktive Beratung mit den Angeboten des Pflegedienstes ein „Muss“. Nicht die „Wunschzeit“ des Patienten, sondern die angebotene Zeit mit einem Zeitkorridor durch den Pflegedienst kann Maßstab für eine Vereinbarung sein. Und nach ca. vier Wochen sollte eine Folgeberatung zur Überprüfung und ggf. weitere Absprachen erfolgen.

Nicht die Patientenzahl zu steigern sollte daher das vorrangige Ziel der aktiven Beratung sein, sondern die aufgenommenen Patienten umfänglich zu versorgen. 

Der Mitarbeiterschaft geht es vielfach genauso wie den Patienten und Angehörigen: Sie ist belastet, erschöpft, irritiert von den letzten Monaten. Mitarbeiter haben sich z.T. über Wochen nicht mehr persönlich gesehen und gesprochen. Viele Erlebnisse und Erfahrungen sind noch nicht ausgesprochen und gegenseitig mitgeteilt. Kommunikation untereinander in der Pflege ist aber ein wichtiges Ventil, Erlebnisse mit und bei Patienten zu verarbeiten. 

Die Regelkommunikation muss wieder (neu) erlernt werden. Führungskräfte sollten daher in den nächsten Wochen verstärkt Zeit für die Mitarbeiterschaft aufbringen, mit ihnen kommunizieren und ihnen Mut für die Zukunft machen. Die Struktur der Dienstbesprechung könnte z.B. überprüft werden, um Besprechungen für alle sinnvoller, effektiver und positiver erlebbar zu machen. Neue Fortbildungsthemen können gemeinsam geplant werden.

Und: Dienstbesprechungen sollten ab sofort wieder im gewohnten Rhythmus durchgeführt werden.

Beraten, motivieren, kommunizieren. Das sind drei wichtige Aufgaben für Führungskräfte in der ambulanten Pflege in den nächsten Monaten.