Viele ambulante Pflege- und Betreuungsdienste haben inzwischen ihr Angebot um eine Tagespflege erweitert. In Zeiten von PSG I – III eine gute Hilfe für die Pflegebedürftigen, eine große Entlastung für die Angehörigen und eine sinnvolle Entscheidung und fast ein „Selbstläufer“, wenn einige bauliche und inhaltliche Faktoren beachtet werden.
Nicht die Pflege, sondern das gemeinsame Leben sollte im Vordergrund einer Tagespflege stehen. Der nachstehende Text wurde als Blog in der „häuslichen Pflege“ im Vincentz-Network veröffentlicht.
„Dieser Tag war ein schöner Tag für mich.“ Wenn Gäste einer Tagespflege am Abend vor der Heimfahrt so empfinden und dies sagen, dann ist die Ergebnisqualität einer Tagespflege hiermit gut zusammengefasst.
Um dieses Ergebnis zu erreichen, bedarf es meiner Erachtens 11 inhaltlicher Faktoren, die eine gute Tagespflege ausmachen:
1) Qualifizierte Mitarbeiter/innen mit Empathie und gutem fachlichen Wissen und gerontopsychiatrische Kenntnissen. Es hat sich bewährt, dass gemäß verhandeltem Personalschlüssel neben den qualifizierten examinierten Pflegekräften in der Tagespflege lebenserfahrene Alltagsbegleiterinnen oder Präsenzkräfte (mit verschiedenen Qualifikationen) vorhanden sind, die für die Gäste „Begleiterinnen im Alltag“ sind und durch ihre jeweils eigene Persönlichkeit für die Gäste interessante Gegenüber darstellen. Je mehr Zusatzwissen über gerontopsychiatrische Hintergründe oder Demenz oder andere Erkrankungen oder Altersbeeinträchtigungen vorhanden ist, desto besser ist dies für die Gäste als auch für die Mitarbeiterinnen. Und Tagespflegemitarbeiter/innen sollten eher aus dem ambulanten als aus dem stationären Bereich kommen.
2) Das Wissen und Interesse um die Lebenssituationen der Gäste. Nur wenn viel von den Tagespflegegästen bekannt ist, können Reaktionen und Verhaltensweisen besser eingeordnet und verstanden werden. Biographiearbeit, Geschichten von gestern und heute, tagesaktuelle Themen, Projekte wie ein eigenes Schützenfest oder Kegelturnier etc. helfen dabei. Ein „Ausfragen“ oder „Aushorchen“ sollte aber vermieden werden. Da Menschen i.d.R. grundsätzlich gerne erzählen, wenn ihnen aktiv zugehört und Interesse gezeigt wird, können Themen oder Gespräche häufig mit einer einfachen Frage eingeleitet werden: „Wie war das damals, als Sie Ihren Mann kennengelernt haben?“ „Wo haben Sie überall gelebt?“ „Wie haben Sie die Arbeit und Kindererziehung geschafft?“ Erzählen Sie doch mal.
3) Von den Stärken der Gäste ausgehen. Jeder Gast hat trotz seiner Pflegebedürftigkeit oder seines Handikaps noch Stärken, die hervorzuheben und zu fördern sind. Und wenn z.B. ein wortkarger Mann aber noch handwerkliche Interessen hat und Vogelhäuser baut oder eine Weihnachtskrippe oder Laubsägearbeiten macht, dann ist eben dies seine Stärke.
4) Angehörigen- und Partnerarbeit. Tagespflegegäste haben häufig noch einen Partner oder Kinder, die bei der Erst-Besichtigung der Tagespflege oder bei gemeinsamen Veranstaltungen mitkommen. Das Kontaktehalten zu diesen Angehörigen sollte wichtig für die Pflegedienstleitung oder Bezugsmitarbeiterin sein. Die Selbstbestimmung des Gastes ist aber so lange zu achten und wahren, bis er selbst z.B. bei fortschreitender Demenz eben nicht mehr alles selbst regeln und entscheiden kann.
5) Eine Einbindung in das Sozialwesen. Die Tagespflegegäste leben an allen Tagen, an denen sie nicht in der Tagespflege sind, in ihrer gewohnten Umgebung und ihrem Quartier, ihrem Dorf oder Ihrer Stadt. Wenn vor dem Alter und der Pflegebedürftigkeit ein Leben in diesem Quartier normal war, dann sollte es auch in und von der Tagespflege weitergeführt werden. Das heißt z.B., dass die Tagespflege mit ihren Gästen an Dorffesten teilnimmt, vielleicht Besuch vom Schützenverein erhält oder zum Schützenumzug geht, mit Kindern von benachbarten Kindergärten gegenseitige Besuche vereinbart, etc.
6) Musik und Bewegung. Verschiedene Aktivierungen im Tages- und Wochenplan ansprechen, dient der Abwechslung, aber auch Förderung. Dabei sollte auch beachtet werden, wer heute Gast in der Tagespflege ist: Die Generation, die mit Rock`n Roll und den Beatles etc. groß geworden ist. Daher bitte nicht nur Heimatstadel und Heintje auflegen. Entsprechende geeignete Gymnastik und Bewegung für Senioren dient ihrer Mobilität und körperlicher Aktivierung.
7) Geschlechtsspezifische Angebote. Viele Tagespflegen haben heute im Angebot einen Männer- und Frauentag bzw. Männer- und Frauenangebote. Manchmal ist eine Strick- und Tratschrunde für einige Frauen etwas sehr Schönes (und für viele Männer langweilig) und manchmal wollen Männer (wie früher) mit Holz werkeln oder Fahrräder reparieren, etc.
8) Eine gute Kooperation mit der ambulanten Pflege. Die meisten Tagespflegegäste benötigen in ihrer Häuslichkeit eine Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst. Mit diesem sollte die Tagespflege regelmäßig kommunizieren und sich austauschen und ggfls. gemeinsam weitere Absprachen und Planungen für und mit dem Gast durchführen.
9) Es muss nicht jeder alles mitmachen. Differenzierte Angebote bedeuten für Senioren, die unterschiedliche Interessen haben, dass nicht alle Tagespflegegäste an allen Angeboten gleichermaßen teilnehmen müssen. Sensible Mitarbeiter achten und akzeptieren, wenn ein Gast mal „keinen guten Tag hat“ und daher nicht beim gemeinsamen Singen mitmachen will.
10) In einer Tagespflege muss es lebendig sein. Es muss gelacht und auch geweint, erzählt und auch gesungen, Musik gehört, Spiele gespielt, Besuch begrüßt, werden. Vieles wie im Alltag zu Hause.
11) Die organisatorische Verbindung einer Tagespflege mit der ambulanten Pflege durch eine Gesamtleitung, wie ich es schon an anderer Stelle beschrieben habe.
So gesehen ist das Leben vor Pflege in der Tagespflege eine hilfreiche Leitlinie. „Dieser Tag war ein schöner Tag für mich. Ich komme morgen gerne wieder“. Ich wünsche mir, dass dies viele Tagespflegegäste so aussprechen oder empfinden.
Teil 2 (hilfreiche konzeptionelle bauliche Faktoren) folgt