Pflegestatistik 2023. Daten und Fakten. Und was wir daraus lernen können

Alle zwei Jahre am Ende eines ungraden Jahres werden in Deutschland von allen Pflegeeinrichtungen (ambulant, teilstationär, stationär) eine Vielzahl von Informationen und Daten von den Landesämtern und vom Bundesamt für Statistik erhoben.

Seit Dezember 1999 wird diese Pflegestatistik durchgeführt. „Ziel der Statistik ist es, Daten zum Angebot von und der Nachfrage nach pflegerischer Versorgung zu gewinnen,“ so heißt es z.B. in der Pflegestatistik 2019 in den Vorbemerkungen.

Für Pflege- und Betreuungsdienste bedeutet dies, in der Software oder in Unterlagen z.B. der Personalabteilung nachzusehen und Daten zusammenzutragen. Eine Menge Verwaltungsarbeit. Ärgert es Sie auch immer wieder, wenn Sie dazu aufgefordert werden, Fragebögen mit Statistikdaten ausfüllen zu müssen? 
„Was habe ich als Pflegedienstleitung oder Inhaber oder Geschäftsführer davon?“, fragen sich vermutlich eine Reihe von Ihnen beim Ausfüllen. 

Mit diesem Text gibt es vielleicht für Sie einige interessante und hilfreiche Antworten.

Drei Bereiche in der Pflegestatistik werden erfasst: Informationen und Daten 

  • über (anerkannt) Pflegebedürftige,
  • über ambulante Pflegedienste und teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen und 
  • über die Mitarbeiterschaft in der Pflege. 

Die Pflegestatistik ist das Ergebnis aus zwei Erhebungen: a) Die Befragung bei den Pflegediensten und -einrichtungen und b) die Befragung bei den Spitzenverbänden der Pflegekassen und des Verbandes der privaten Krankenversicherung. Die zweite Erhebung liefert insbesondere Informationen über die Empfänger von Pflegegeldleistungen.

Alle Daten aus den Pflegeeinrichtungen laufen beim Statistischen Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden zusammen und werden dort ausgewertet. Dies dauert in der Regel gut 12 – 15 Monate, so dass die Ergebnisse häufig im Dezember des Folgejahres bzw. Frühjahr des übernächsten Jahres veröffentlicht werden.

Seit der Pflegestatistik 2019 werden auch die reinen ambulanten Betreuungsdienste nach § 71 Abs. 1a SGB XI) mit aufgenommen. Diese spielen mit  70 (2021: 64) Diensten in Deutschland aber keine wesentliche Rolle und verändern auch die Entwicklung der zugelassenen und ausgewerteten Pflege- und Betreuungsdienste nicht wesentlich.

Einige Grunddaten für den ambulanten Bereich vorab:

Im Dezember 2023 waren 5,688 Millionen Menschen in Deutschland anerkannt pflegebedürftig (2021: 4.961 Mio.), das sind 14,7 % bzw. 726.000 Menschen mehr als 2021. 78 % der Pflegebedürftigen sind 65 Jahre und älter. 61,14 % der Pflegebedürftigen sind weiblich.

3,103 Millionen Pflegebedürftige haben Pflegegeld erhalten (2021: 2,553 Mio.) und sind somit i.d.R. durch Angehörige unterstützt worden. 1,100 Millionen Pflegebedürftige haben Hilfe von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten erhalten (2021: 1,046 Mio). 14% der Pflegebedürftigen leben in Pflegeheimen.

Pflegedienste betreuen Ende 2023 53.000 Pflegebedürftige (5,1%) mehr als Ende 2021. Die Anzahl der Pflegegeldempfänger stieg um 549.000 (17,70 %).

Zum Stichtag 15.12.2023 gab es in Deutschland 15.549 ambulante Pflege- und Betreuungsdienste. 446.425 Mitarbeitende (2021: 442.860) waren in der ambulanten Pflege tätig.

Gehen wir ins Detail – und in interessante Entwicklungen:

Die Anzahl der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste in Deutschland ist weiter, aber im Vergleich zu den Vorjahresstatistiken nur noch gering gestiegen:

Die Trägerschaft der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste in Deutschland verteilt sich Ende 2023 wie folgt: Private und inhabergeführte Dienste 68,48% (+0,65%), freigemeinnützige Dienste 30,21% (- 0,63%), öffentliche Träger 1,31% (gleichbleibend). (in Klammern: Entwicklung zu 2021)

Wie viele Patienten pflegt und betreut ein ambulanter Pflege- und Betreuungsdienst?

Die Pflegedienste der öffentlichen Träger sind hier aufgrund der geringen Größe nicht dargestellt, versorgen aber durchschnittlich 70,8 SGB XI Patienten.

Pflegedienste sind somit statistisch gesehen größer geworden. Ein Problem wirft die Pflegestatistik aber jedes Mal auf: Es werden nur die anerkannt pflegebedürftigen Patienten abgefragt. Alle Patienten, die häusliche Krankenpflege erhalten und/oder Privatleistungen vereinbart haben, sind nicht mit erfasst. Eigene Untersuchungen bei strategischen und betriebswirtschaftlichen Beratungen von Pflegediensten haben ergeben, dass Pflegedienste häufig zusätzlich SGB V Patienten im Umfang von ca. 30 % und Privatleistungspatienten von ca. 1-2 % versorgen. Die Patienten, die sowohl SGB V als auch SGB XI Leistungen erhalten, sind in der Pflegestatistik erfasst.

Daher versorgt ein durchschnittlicher Pflegedienst in Deutschland Ende 2023 ca. 70,8 (+ ca. 22) = ca. 93 Patienten insgesamt.

Die Anzahl der Pflege- und Betreuungskräfte in der ambulanten Pflege ist noch gering gestiegen und betrug Ende 2023 insgesamt 446.425 Mitarbeitende.

Erfreulich ist, daß auch immer mehr Männer für die Pflegeausbildung und den Pflegeberuf gewonnen werden können. Insgesamt ist aber die Anzahl der Auszubildenden in der ambulanten Pflege deutlich zurückgegangen und auch der geringe Personalzuwachs in der ambulanten Pflege insgesamt (+ 0,8 %) steht in keinem Verhältnis zu dem Zuwachs der Pflegebedürftigen in der ambulanten Pflege ( +5,1%) insgesamt.

Die nächste Übersicht sollte aber allen Beteiligten im ambulanten Gesundheitswesen große Sorgen bereiten. Mögliche Handlungsschritte dazu auch am Ende des Textes:

Sieht man sich aber den Anteil der Pflegekräfte über 50 Jahre an, so ist deren Anteil von 155.631 Mitarbeitende (Pflegestatistik 2017) auf 182.972 (Pflegestatistik 2023) gestiegen. 
Anders gesagt: Von den 446.425 Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege sind 41 % über 50 Jahre und werden somit in Kürze oder innerhalb der nächsten 15 Jahren in Rente gehen. (Vergleichszahl aus der Pflegestatistik 2017: 39,87 %)

Was bedeuten diese vielen Zahlen und Daten nun für den Alltag Ihres Pflegedienstes?

Da die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern verschieden ist, sollen hier allgemeingültige Tendenzen und Trends dargestellt werden:

  • Ein durchschnittlicher Pflegedienst versorgte Ende 2023 ca. 91 Patienten SGB V und SGB XI. Sie können daher feststellen, wie ihr Pflegedienst im Verhältnis dazu steht.
  • Es ist zu befürchten, dass in den Jahren 2024 bis 2026 der Scheitel der vorhandenen Mitarbeiterkapazitäten in der Pflege erreicht ist. Daher ist ein automatisches Wachstum in der ambulanten Pflege in Zukunft eher nicht mehr möglich.
  • Organisatorisch können Pflegedienste mit ca. 120 bis 180 Patienten gut und effektiv von einer Pflegedienstleitung und Stellvertretung geführt werden. Eine Überschaubarkeit der Patienten und Mitarbeiter ist noch möglich. 
  • Kleine Pflegedienste unter 60 Patienten müssen die gleichen Standards vorhalten wie größere Dienste, sind aber z.B. im Krankheitsfall von Mitarbeitern wesentlich schwieriger zu steuern. Daher sollte strategisch überlegt werden, entweder zu wachsen – oder auf Dauer den Pflegedienst in eine größere Organisationseinheit einfließen zu lassen und abzugeben.
  • Achten Sie in Zukunft aber auch auf überschaubare Organisationseinheiten für die Pflegedienstleitung und die Teams, damit sie eine effektive Planung durchführen können und für die Mitarbeiter trotz abnehmender Loyalität (Generation Y und Z) eine positive Teamzusammengehörigkeit erkennbar bleibt.
  • Es zeigt sich aus der Pflegestatistik, dass im Pflegegrad 1 eine relativ große Gruppe (über 200.000 Pflegebedürftige) zum Jahresende keine Entlastungsleistungen abruft. Für die Nichtnutzung wurde angegeben: „Nicht bekannt“, „ein bisher fehlender Bedarf“ oder „die Beträge sollen aufspart werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt einzusetzen.“ Dies bedeutet für die Pflegedienste, ihre Beratungskompetenz und Beratungsansätze zu überprüfen und auch gerade in diesem niedrigschwelligen Bereich interessante Angebote mit Nicht-Pflegefachkräften zu entwickeln.
  • Die große Spanne der versorgten Patienten pro Pflegedienst ist abhängig von der städtischen oder ländlichen Versorgungsstruktur. Für das Jahr 2025 sollte aber jeder Pflegedienst a) seinen Einzugsbereich neu festlegen (wowill ich tätig sein), b) seine Touren optimieren (wann erbringe ich welche Leistungen) c) seinen Personaleinsatz überprüfen (welcher Mitarbeiter erbringt welche Leistung) und d) Kooperationspartner außerhalb des eigenen Versorgungsbereichs suchen (an wen kann ich Anfragen außerhalb meines Versorgungsgebietes weiterleiten). 
  • Ambulante Pflegedienste können in Zukunft nur weiterhin stabil bleiben oder sogar wachsen, wenn sie sich als „attraktiver Arbeitgeber“ weiterentwickeln. Dazu gehört, neben der Entscheidung für einen Tarif oder eine Tarifanlehnung oder die Nutzung des Regional üblichen Entgeltes seine sonstige Angebote wie Massage, Gesundheitsförderung, E-Bike-leasing, Einkaufsservice für Mitarbeiter, etc. transparent nach innen und außen z.B. auch auf der Homepage und den sozialen Medien darzustellen. Dabei geht es darum, nicht eine Vielzahl von Angeboten zu haben, sondern für die Mitarbeiter hilfreiche und interessante Angebote zu schaffen.
  • Akzeptieren Sie den Paradigmenwechsel: Sie bewerben sich heute als Pflegedienstleitung oder Inhaber bei potenziellen Mitarbeitern, nicht umgekehrt. Machen Sie sich interessant – und auch deutlich, wofür Sie stehen und was möglich ist und was auch nicht.
  • Verbessern Sie Ihr Führungsverhalten und Ihre Kommunikation. In Zukunft ist wichtig, ein generations- und lebensphasenorientiertes Personalmanagement im Betrieb umzusetzen und situativer auf Ihre Mitarbeiter eingehen zu können (Wawrik, Kämmer: Erfolgreich führen und leiten. Vincentz Network, 2019) 
  • Erkennen Sie Ihre Möglichkeiten und Grenzen in der ambulanten Pflege. Sie können nur so viele Patienten versorgen und aufnehmen, wie Sie Personalkapazität haben. Eine verlässliche Versorgung der aufgenommenen Patienten ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Das bedeutet aber auch, dass Sie sich in Zukunft immer zwischen Aufnahmemöglichkeit und partiellem Aufnahmestopp bewegen.
  • Pflegedienste, die neben einer überschaubaren organisatorischen Größe eine Tagespflege oder ein Betreutes Wohnen oder eine Seniorenwohngemeinschaft betreiben, erhöhen mit ihrem Pflegenetzwerk ihre Marktposition und werden für Mitarbeiter wie auch Patienten interessanter als andere Pflegedienste.

Es gibt eine Sicherheit, die auch die nächste Pflegestatistik in zwei Jahren darstellen wird: Die Anzahl Pflegebedürftiger hat weiter zugenommen. Der Unterstützungs- und Hilfebedarf wächst weiter.

Hier können Sie den Infoflyer als PDF herunterladen.